Die Zugspitze – ein Gipfel macht Geschichte(n)
Vor 200 Jahren, am 27. August 1820, standen laut Geschichtsschreibung der Vermessungsoffizier Joseph Naus und seine Begleiter als erste Menschen auf der Zugspitze. Manchem Alpinisten mag es heute grausen vor dem mit Seilbahnen überwucherten Gipfel. Andere scheint er dennoch magisch anzuziehen: An Spitzentagen im Sommer erklimmen bis zu 750 Bergsteigerinnen und Bergsteiger den höchsten Berg Deutschlands – und rund 6000 Gäste nutzen die Bahnen (Quelle: Bayerische Zugspitzbahn). In den letzten 200 Jahren ist einiges passiert, Gutes wie weniger Gutes. Wir lassen die Zeit zurücklaufen – macht Euch mit uns auf den Weg!
Zugspitze im Abendlicht, Foto: Jörg Bodenbender
Gebremster Schaum
Von wegen Jubiläum! Die Corona-Auflagen dürften ein entspanntes Feiern erschweren. Trotzdem haben die Tourismusmanager rund um Deutschlands höchsten Berg ein Festprogramm aufgestellt, um 200 Jahre Erstbesteigung und 90 Jahre Zahnradbahn zu würdigen. Über die Geschichte der Bahn informiert eine Ausstellung in der Gipfelstation, der Erstbesteigung wird vom 27.-30.8. mit verschiedenen Aktionen gedacht.
Die neue Seilbahn Zugspitze, Foto: Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG/fendstudios.com
Voll auf Draht
Nach sechs Jahren Planung und Bauzeit – mit dem höchstgelegenen Baukran der Welt – geht am 21.12. die neue „Seilbahn Zugspitze“ in Betrieb. Und meldet drei Weltrekorde: die höchste Stütze (127 m); der größte Gesamthöhenunterschied (1945 m); das längste freie Spannfeld (3213 Meter). In den ersten 100 Tagen wurden gleich 100.000 Fahrgäste gezählt. Doch schon im September 2018 gab es einen Stillstand: Bei einer Bergeübung wurde eine Gondelkabine zerstört, es musste erst ein neues Exemplar angefertigt werden. Heute schaffen die beiden 120-Plätze-Kabinen bis zu 580 Personen pro Stunde auf den Gipfel, mit 10,6 m/s (knapp 40 km/h). Die Gipfelstation ist quasi verschiebbar gelagert und wird durch „Rückspannbauwerke“ am Platz gehalten.
Neubau der Höllentalangerhütte, Foto: DAV/Christine Frühholz
Hölle mit Pult
Die Höllentalangerhütte ist zwar urig-romantisch, aber in die Jahre gekommen; ein Ersatzbau muss her. Der neue Entwurf schmiegt sich an den Hang und leitet mögliche Lawinen mit einem Pultdach ab – um diese traditionelle, aber ungewöhnliche Architektur entwickeln sich einige Diskussionen. Doch 2019 wird der Neubau sogar mit dem AV-Umweltgütesiegel ausgezeichnet. Die „Urhölle“, der allererste Hüttenbau, findet eine neue Heimat im Garten des Alpinen Museums in München.
Auf eisernen Spuren
Michael Gebhardt und Till Rehm arbeiten in der Forschungsstation Schneefernerhaus und fahren deshalb regelmäßig mit der Eibsee-Seilbahn zum Gipfel. Dabei sehen sie die Nordwand mit den Tunnelfenstern, durch die die Bauarbeiter für die Zahnradbahn ihre Arbeitsplätze erreichten. 2013 erkunden sie die alten Zugangswege, im Jahr drauf finden sie einen Kletterweg vom letzten Tunnelfenster zum Gipfelgrat – „Eisenzeit“ (800 Hm, IV-) ist eine trotz Drahtseilen und Bohrhaken anspruchsvoll alpine Kletterei mit rustikal-historischem Anstrich.
ARD-Beitrag zur „Eisenzeit“:
Multikulturell ausgerichtet: Vor einigen Jahren gab es dafür ein spezielles Schild, Foto: Andi Dick
Nicht nur Kreuz
Ein muslimisches Gebetshaus, geöffnet in den Sommermonaten, wird beim Gletscherrestaurant Sonnalpin auf dem Platt eingerichtet. Eine Toilette speziell für arabische Gäste gibt es schon seit 2010. Damals zählte die Bayerische Zugspitzbahn ca. 15.000 Besucher und Besucherinnen aus arabischen Ländern, 2012 waren es bereits 25.000.
Grathütterl mit Wellblech-Anbau, Foto: DAV-Archiv
Aus für Alte Schachtel
Das „Grathütterl“ (2684 m) am Jubiläumsgrat, dessen erste Version schon 1914 aufgestellt wurde, hat auf halber Strecke vielen Bergsteigern als Notunterschlupf oder für ein geplantes Biwak bei Winterbegehungen gedient. Zum 90. Firmenjubiläum stellt der Bergschuhproduzent Hanwag eine neue, schön rote Biwakschachtel auf – der ausgemusterte Wellblechvorgänger landet, wie später die „Urhölle“, im Garten des Alpinen Museums in München.
Balanceakt und Todeslauf
Beim „Zugspitz-Extremberglauf“ 2008 schafft zwar der Seriensieger Martin Echtler die Strecke von Ehrwald zum Zugspitzgipfel in 2:07:01,4 Stunden, bei Temperaturen unter dem Nullpunkt aber sterben zwei Läufer; sechs weitere werden von 80 Bergwacht- und Rotkreuzhelfern ins Krankenhaus gebracht. 2009 balanciert der Schweizer Freddy Nock auf dem bis 56% steilen Seil der Zugspitz-Gletscherbahn vom Platt zum Gipfel – zugunsten von Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe „Menschen für Menschen“. Für die 348 Höhenmeter braucht er 50 Minuten (siehe Video).
Weiterlesen:
Harter Sport am Seilbahnberg
Schneefernerhaus, Foto: Sir James/Creative Commons
Forschung statt Hotel
Nach vierjährigem Umbau wird das Schneefernerhaus neu eröffnet als Umweltforschungsstation. Neun deutsche Institutionen forschen dort, teils in internationalen Kooperationen, zu acht Schwerpunkten, unter anderem Klima und Atmosphäre, Umwelt- und Höhenmedizin oder Wolkendynamik. Zur Atmosphärenforschung ist die Station mit weiteren Einrichtungen in ganz Europa vernetzt zum „Virtuellen Alpenobservatorium“.
Bereit zur Abfahrt: Bayerische Zugspitzbahn, Foto: Hauke Bendt
Bahnenkämpfe
1988 wird der Endbahnhof der Zahnradbahn aufs Platt verlegt – durch den „Rositunnel“, benannt nach Rosi Mittermaier (Doppel-Olympiasiegerin 1976); 1992 gibt es dazu eine neue Zugspitz-Gletscherbahn zwischen Platt und Gipfel. Die Tiroler Zugspitzbahn wird 1991 umverlegt und führt nun von Ehrwald direkt zum Gipfel.
Kapelle Mariä Heimsuchung, Foto: Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG/Herbke
Fast Papst
Nein, erst von 2005 bis 2013 war Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI. Als er die Kapelle Mariä Heimsuchung auf dem Zugspitzplatt einweiht, ist er noch Erzbischof von München und Freising.
Der weiße Tod
Eine Lawine verschüttet am 15. Mai das Schneefernerhaus mit seiner Sonnenterrasse und die Lifte am Platt; 10 Menschen sterben, 21 werden verletzt. Der Schock führt zur Einführung des Lawinenwarndienstes Bayern samt lokalen Lawinenkommissionen.
Neu eröffnete Eibsee-Seilbahn, Foto: Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG
Durch die Luft
Erste Pläne hatte es schon 1909 gegeben, aber erst das Wirtschaftswunder machte es möglich: Mit der Eibsee-Seilbahn kommt man erstmals in einem Rutsch bis auf den Zugspitzgipfel. 1945 Höhenmeter waren schon damals Weltrekord. Die Österreicher ziehen nach: 1964 entsteht eine Verbindungsbahn von der Endstation der Ehrwalder Seilbahn zum Gipfel.
Skigebiet auf dem Platt, Foto: Jörg Bodenbender
Ski Heil!
Das Skigebiet auf dem Zugspitzplatt wird eröffnet. Heute gibt es dort zwei Sesselbahnen und vier Schlepplifte. Trotz Abschmelzen der Schneeferner ist das Zugspitzplatt eines der wenigen deutschen Skigebiete, dem für 2100 noch Chancen prognostiziert werden.
Weiterlesen:
Sterbende Gletscher
Balancierkünste
Siegward Bach, später auch Gisela Lenort, balancieren auf einem Hochseil 130 Meter zwischen West- und Ostgipfel. Die gleiche Strecke befahren 1953 zwei Mitglieder der Artistenfamilie Traber mit einem Motorrad.
Bomben auf den Berg
Am 20. April, Adolf Hitlers letztem Geburtstag, werfen US-Flieger Bomben ab und beschädigen die Talstation der Tiroler Zugspitzbahn. Nach Kriegsende beschlagnahmen die Alliierten die Zugspitzbahn und das Schneefernerhaus; die Wetter-Messreihen des Meteorologischen Observatoriums werden von 5. Mai bis 9. August unterbrochen.
Bau einer Baracke am Münchner Haus ca. 1938, Foto: DAV-Archiv
Der Vaterlands-Gipfel
Der Westgipfel (2964 m) wird gesprengt, um Platz für eine Flugleitstelle der Wehrmacht zu schaffen; die wird allerdings nicht gebaut. Der höchste Berg Deutschlands hatte auch für die Nazis Symbolwert: 1933 hissten 24 SA-Männer auf der Wetterstation die Hakenkreuzfahne; SA- und SS-Leute gemeinsam formierten sich auf dem Schneeferner zu einem Hakenkreuz.
Postkarte vom Schneefernerhaus in den 1930er Jahren
Ein Hotel am Gletscher
Das Hotel Schneefernerhaus (2656 m) eröffnet am Endbahnhof der Zahnradbahn; von hier führt eine Seilbahn zum Mittelgipfel, der für diesen Bau abgesprengt wurde.
Fertig zur ersten Fahrt mit der Tal-Lokomotive, Foto: DAV-Archiv
Die Zahnradbahn, heute 90 Jahre alt
Bayern schlägt zurück: Nur vier Jahre nach den Tirolern eröffneten sie die Zugspitz-Zahnradbahn, die durch einen 4453 Meter langen Tunnel aufs Platt führt. Noch 1899 lehnte Prinzregent Luitpold von Bayern Bahnpläne an der Zugspitze ab, weil er „keinerlei Verkehrsbedürftnis“ sah; die erste Baugenehmigung von 1914 fiel dem Ersten Weltkrieg zum Opfer. 1930 musste es dann schnell gehen, rechtzeitig für die Oberammergauer Passionsspiele. Bis zu 2500 Arbeiter schürften im Berg und durch Tunnelzugänge von außen, zehn Menschen kamen ums Leben.
In 2020 feiert die Zahnradbahn ihr 90-jähriges Jubiläum.
Österreich first
Die erste Bahn auf Deutschlands höchsten Gipfel kam aus Österreich: Die Tiroler Zugspitzbahn führte zum Kamm auf 2805 m Höhe (mit „Kammhotel“), von dort gab es einen Tunnel zum Zugspitzplatt, der später zum Schneefernerhaus verlängert wurde. 1927 fuhren schon 130.000 Passagiere mit.
Weiterlesen:
Die Bahnen am Berg
Bruchlandung von Franz Hailer auf dem Schneeferner 1922, Foto: DAV-Archiv
Flug-Kunststücke
Der Pilot Franz Hailer landet mit einem Doppeldecker auf dem Schneeferner, 1927 startet Ernst Udet von dort mit einem Segelflugzeug (das in Einzelteile zerlegt mit der Seilbahn hochgeschafft wurde). Der erste Ballonstart gelang 1931.
Reintalangerhütte, Foto: DAV-Archiv
Haus 2 am Hauptweg
Die Reintalangerhütte (1366 m) wird eröffnet; sie bietet eine Zwischenstation am Normalweg der Erstbesteiger, nach dem langen Marsch durch Partnachklamm und Reintal und vor dem steilen Anstieg über Knorrhütte, Platt und Gipfelaufbau. Auf der Reintalangeralm wurde schon seit 1485 Vieh gehalten.
Berühmt und berüchtigt: Jubiläumsgrat zwischen Zug- und Alpspitze, Foto: Jörg Bodenbender
Grat mit Widerhaken
Den Grat von der Zugspitze Richtung Hochblassen hatte schon 1897 Ferdinand Henning im Alleingang erstbegangen, eine lange Kletterei bis zum guten dritten Grad, ziemlich state of the art der damaligen Zeit. Doch schon 1894, zum 25. Gründungsjubiläum, war die Linie Teil von Plänen der DAV-Sektion München gewesen, die Hütten an ihrem Hausberg mit einem umfassenden Klettersteignetz zu ergänzen. Fleißig wurde Geld gesammelt, und von 1909 bis 1915 wurde aus dem Grat die heutige wilde Mischung aus Klettersteigpassagen und ernsthaftem alpinem Klettergelände – nicht ohne heftige Diskussionen.
Der Grat genießt heute einen berechtigten Ruf als großartige, lange Überschreitung – und zieht so viele Selbstüberschätzer an, wie es selbst die härtesten damaligen Kritiker nicht erwartet hätten: Im Sommer muss die Bergwacht fast täglich überforderte Aspiranten vom Grat pflücken. Zur Klarstellung: Der Jubiläumsgrat ist eine lange, hochalpine Gratkletterei mit vielen frei zu kletternden Stellen bis zum dritten Grad und in teils brüchigem Fels, mit langen Gehstrecken in ausgesetztem Gelände mit Rollsplitt-Schuttauflage – und mit einigen Drahtseilpassagen, samt einer anstrengenden senkrechten Passage im Klettersteig-Schwierigkeitsgrad KS D. Führerzeit 6-9 Std. von der Zugspitze zur Grieskarscharte.
Weiterlesen:
Natur oder Konsum?
Bau der Höllentalklamm 1903-05, Foto: DAV-Archiv
Der Weg des Wassers
Von 1902-1905 wurde die Höllentalklamm für Touristen begehbar gemacht; 12 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 288 Metern und 120 Meter Stege wurden in der 1026 Meter langen Klamm installiert; Baukosten 57.000 Mark. Heute begehen jährlich 60.000 Menschen den abenteuerlichen Weg neben dem tosenden Wildbach. In der Höllentaleingangshütte zahlen AV-Mitglieder den reduzierten Wegtarif (2 statt 5 Euro) und finden ein kleines Museum. Jeden Frühsommer wird die Weganlage hergerichtet und saniert – die höchste gemessene Schneehöhe in der von Lawinen bestrichenen Schlucht betrug 70 Meter.
Einweihung der meteorologischen Station am Münchner Haus am 19.7.1900, Foto: DAV-Archiv
Wetter im Blick
Am 19. Juli 1900 wird die „Königlich Bayerische Meterologische Hochstation Zugspitze“ eingeweiht; erster Wetterbeobachter war Josef Enzensperger, der 1903 bei einer Forschungsexpedition in der Antarktis starb. Bis 2018 war die Station 24 Stunden täglich besetzt (außer vom 5.5.-9.8-1945), seither werden die Wetterdaten nur noch automatisch erfasst. Bevor der Gipfel per Seilbahn erreichbar war, mussten die Beobachter den ganzen Winter allein in der Station durchbringen. Heute ist die Wetterwarte in mehrere nationale und internationale Forschungsnetze eingebunden.
Einige Wetterdaten:
- Jahresniederschlag (1961-1990) 2003 mm
- Durchschnittstemperatur -4,8°C
- Tiefste Temp. -35,6°C (1940)
- Stärkste Windbö 335 km/h (1985)
- Höchste Schneehöhe 7,80 m (1980)
Münchner Haus und Ostgipfel um 1930, Foto: DAV-Archiv
Haus des Anstoßes
Nach drei Jahren Bauzeit wird das Münchner Haus (2959 m) am Westgipfel eröffnet, aus dem dafür ein 200 m2 großer Bauplatz herausgesprengt wurde. Schon seit 1883 hatte eine kleine Holzhütte unterhalb des Gipfels gestanden; der neue Bau erhält eine 21 km lange Telefonleitung ins Tal und einen 5,5 km langen Blitzableiter. Aus Protest gegen die Erschließung des Hochgebirges spaltet sich die Sektion Bayerland von der Sektion München ab; sie engagiert sich seither immer wieder vehement für Einfachheit am Berg und einen schonenden Umgang mit der Natur. Das Münchner Haus ist naturgemäß die höchstgelegene Hütte in den deutschen Alpen, außerdem gibt es dort Deutschlands höchste Photovoltaikanlage, den höchstgelegenen Briefkasten – und die höchste Bratwurst.
Jäger vor der Wiener-Neustädter-Hütte in den 1880er Jahren, Foto: DAV-Archiv
Für Schlafmützen
Der Aufstieg von Ehrwald über den „Stopselzieher“ ist mit 1600 Höhenmetern der kürzeste Zugspitzweg. Die Wiener-Neustädter-Hütte (2213 m) der Sektion Wiener Neustadt des Österreichischen Touristenklubs halbiert die Tagestour. Das kommt gut an: Wegen steigender Besucherzahlen wird die Hütte 1891, 1903 und 1913 dreimal erweitert.
Das Höllental der Länge nach, Foto: Jörg Bodenbender
Durch die Hölle
Durchs Höllental, mit dem felsigen „Brett“, dem Höllentalferner und der felsigen Gipfelwand, steigen erstmals Franz Tillmetz und Franz Johannes mit den Führern Johann und Joseph Dengg. 1893 werden auch auf dieser Route an den schwierigen Passagen Drahtseile und Eisenklammern installiert. Und 1894 wird die Höllentalangerhütte (1387 m) eröffnet.
Von der anderen Seite
Die erste Besteigung von österreichischer Seite, durch das Österreichische Schneekar und die heute als “Stopselzieher” bekannte Kaminrinne, gelingt den irischen Brüdern Trench und dem Engländer Cluster, geführt von Joseph Feuerstein und Joseph Sonnweber. 1879 wird der Anstieg mit Sicherungen erleichtert.
Eine Gemeinschaft entsteht
In München wird der Deutsche Alpenverein gegründet – mit dabei: die Sektion München, heute gemeinsam mit der Sektion Oberland und rund 180.000 Mitgliedern die größte Gruppe im DAV. Die Münchner haben ihr Arbeitsgebiet an der Zugspitze; das heißt: Sie betreiben fast alle Hütten und pflegen die Wege im Gebiet.
Knorrhütte 1881, Foto: DAV-Archiv
Gut behüttet
Die erste Bergsteiger-Schutzhütte an der Zugspitze war die Knorrhütte (2051 m) auf dem Zugspitzplatt; mit einem „bedeutenden Geldbetrag“ des Münchner Bankierssohns Angelo Knorr gebaut. Sie war schnell heruntergekommen; die Sektion München organisierte einen Um- und Erweiterungsbau, der 1873 eröffnet wurde.
Lesen Sie mehr:
Schlafen am Berg
A woman’s place: on top!
Karoline Pitzner ist die erste Frau auf der Zugspitze
Frisch poliert: Gipfelkreuz auf der Zugspitze, Foto: Andi Dick
Bekreuzigt
Pfarrer Christoph Ott, meteorologischer Beobachter auf dem Hohen Peißenberg, ärgerte sich, dass „der erste Fürst der bayerischen Gebirgswelt sein Haupt kahl und schmucklos in die blauen Lüfte des Himmels emporhebt, wartend, bis patriotisches Hochgefühl und muthvolle Entschlossenheit es über sich nehmen würden, auch sein Haupt würdevoll zu schmücken“. 28 Träger schleppten ein 28-teiliges, vergoldetes Kreuz aus Eisen durch Partnachklamm und Reintal, die Expedition kostete 610 Gulden und 37 Kreuzer. Seinen heutigen Standort auf dem Ostgipfel bezog es erst 1882, nachdem es im Winter davor beschädigt worden war. 1945 wurde es von amerikanischen Soldaten beschossen, 1993 durch eine originalgetreue Nachbildung ersetzt, die 2009 für 15.000 Euro neu vergoldet wurde. Bei den Bauarbeiten für die neue Seilbahn wurde es zweimal beschädigt.
Ihr erstes Mal
Am 27. August 1820 rammte der Vermessungsoffizier Joseph Naus seinen „Bergstock mit einem daran befestigten Sacktuch“ in den Schnee auf dem Westgipfel – Deutschlands höchster Berg war einem Verwaltungsakt zum Opfer gefallen. Mit dabei ein Gehilfe namens Meier (Vornamen waren damals Nebensache) und der Führer Georg Deuschl (oft auch Tauschl geschrieben) aus Partenkirchen – freilich kein staatlich diplomierter Bergprofi, sondern wohl eher ein Haudrauf oder Wildschütz. Nach Übernachtung auf einer „verwünschten Flohhütte“ (so schrieb Naus über ein Kabuff, wo heute die Reintalangerhütte steht) stiegen sie 1600 Höhenmeter über den damals noch recht ernsthaften Plattferner und die ungebändigten Felsen am Gipfelaufschwung (bis II) und wieder hinunter. Ironie der Geschichte: Der von ihnen bestiegene Westgipfel (2964 m) existiert heute gar nicht mehr (-> 1938).
Lesen Sie mehr:
Wege zum Berg
Grenzgeschichten
Der Karwendelvertrag klärt den Grenzverlauf zwischen Bayern und Tirol am Zugspitzgipfel; er wurde 1844 bestätigt und ist bis heute gültig.
Und vorher?
2006 wurde im Alpinen Museum des DAV in München eine handgezeichnete Karte entdeckt, die auf ungefähr 1770 datiert wurde. Darauf war der Weg durchs Reintal eingetragen und eine Zeitangabe wies zum „Zugspitz“.
Ob das als Beleg einer schon früheren Besteigung gelten darf oder muss, darüber wurde heftig diskutiert. Natürlich hätten Einheimische schon damals das Zeug gehabt, das wilde Gelände bis zum Gipfel unterzukriegen – nur: warum hätten sie sollen? Der Unsinn, auf Berge hinaufzusteigen, von denen man dann eh wieder runtermuss, kam erst später so recht in Mode. Heute hat man’s an der Zugspitze praktisch: Weder rauf noch runter muss man eigene Energien bemühen, wenn man’s nicht will, eine gute Portion Kleingeld für die Bahnen genügt. Aber wer auf „aus eigener Kraft“ steht, der kann sie auf vielerlei Art investieren.
Lesen Sie mehr: Zugspitze und kein Ende
Eibsee vor dem Zugspitzmassiv, Foto: Jörg Bodenbender
Und es hat Rumms gemacht
Ganz genau weiß man es nicht, aber irgendwann in dieser Zeit brach aus dem Zugspitzmassiv ein Bergsturz mit 13 Quadratkilometer Fläche und 350 Mio Kubikmeter Volumen aus und donnerte über den Eibsee hinweg, der in einer Senke des geschmolzenen Isar-Loisach-Gletschers lag. Die freigesetzte Energie vergleicht man mit der Sprengkraft von 220 Hiroshima-Bomben. Die Trümmer füllten den ursprünglichen See teilweise auf und bildeten acht Inseln und 29 Mulden – die Katastrophe hinterließ ein Naturidyll, das beim Blick von der Zugspitze vor allem an heißen Sommertagen lockt.
Wettersteinkalk: Zugspitze mit Schneefernerkopf, Foto: Jörg Bodenbender
Wie alles begann
Im Mesozoikum lagerten sich auf dem Boden des Urmeeres Tethys Überreste von Korallen, Muscheln und anderem Meeresgetier ab und verdichteten sich. Als dann der Urkontinent Pangäa auseinanderbrach und die Kontinentalplatten von Afrika und Indien sich auf die Europäische Platte zuschoben, wurden diese Sedimente bei der Auffaltung der Alpen nach oben gedrückt. Je nach Zusammensetzung der abgelagerten Viechereien entstanden so verschiedene Gesteinsarten, wie etwa die lehmig verwitternden „Raibler Schichten“, die heute fruchtbare Almböden bilden (Hochalm, Wettersteinalm). Der Hauptbestandteil des Wettersteingebirges mit der Zugspitze ist der bis 800 Meter mächtige Wettersteinkalk. Er bildet teils gestufte Strukturen, die den Fels halbwegs zugänglich machen, teils ist er plattig-kompakt, was Kletterer mehr oder weniger erfreut. Unter den vielbekletterten Kalksteinen der Alpen gehört der Wettersteinkalk nicht zu den Topfavoriten – aber Routennamen wie „Rau wie die Sau“ (Riffeltorkopf) weisen darauf hin, dass er schon auch Highlights zu bieten hat.