Die Sieben-Sekunden-Marke – Franziska Ritter im Interview
01.02.2022, 06:50 Uhr
Schnell, schneller am schnellsten: Franziska „Franzi“ Ritter (DAV Wuppertal) ist die derzeit schnellste deutsche Speedkletterin. Die 18-jährige Wuppertalerin ist nicht nur dreifache deutsche Meisterin, sie unterbot bei der Deutschen Meisterschaft 2021 erneut den Frauenrekord, damals sprintete sie die 15 Meter hohe Wand in 8,177 Sekunden nach oben. Ihre persönliche Bestzeit aber liegt bereits unter acht Sekunden: Gerade einmal 7,73 Sekunden brauchte sie bei der Jugend-WM in Russland im vergangenen Jahr – und gewann damit Gold.
„Franzi zählt - wie Nuria Brockfeld auch - zu den ganz großen Talenten im weiblichen Speedklettern“, sagt Speed-Bundestrainer Peter Schnabel. Das Ziel sei, nun die Lücke zur Weltspitze zu verkleinern. Im Interview erzählt Franzi, weshalb sie Speed besonders mag – und welche Ziele und Pläne sie hat.
Franzi, wie schaut deine Bilanz der Saison 2021 aus?
Sehr, sehr gut – das war bislang mein stärkstes Jahr. Ich habe die meisten meiner Ziele erreicht, ich konnte beispielsweise wieder den deutschen Meistertitel verteidigen. Und ich bin mit meiner Leistung bei den internationalen Wettkämpfen eigentlich auch ganz zufrieden, vergangenes Jahr bin ich international das erste Mal bei den Erwachsenen gestartet… in den USA wurde ich beim Weltcup in Salt Lake City Neunte, bei der Weltmeisterschaft in Moskau Elfte.
Was war für dich der absolute Höhepunkt?
Hm… das war dann wahrscheinlich doch Gold bei der Jugend-WM, auch wenn es „nur“ in der Jugend war. Ich kann mich noch gut erinnern wie ich 2019, bei meiner zweiten Jugend-WM, total beeindruckt von den damals Schnellsten war, damals wurde ich Zwanzigste. Und vergangenes Jahr habe ich gewonnen… das war ein gutes Gefühl.
Wie hast du es geschafft, schneller zu werden?
Ich habe inzwischen mehr Erfahrung an der Wand – und ich trainiere spezifisch abseits der Wand. Da sind viele Elemente aus der Leichtathletik dabei, beispielsweise aus dem Training für Sprinter, die uns Speedies aber sehr viel bringen. Es gibt zwischen der Leichtathletik und Speed schon einige Parallelen, die uns nutzen.
Der neue Speed-Bundestrainer, Peter Schnabel, kommt aus der Leichtathletik. Ist das ein wertvoller Input?
Also uns kommt das sehr zugute. Wir haben momentan sehr viel Training weg von der Wand. Früher bin ich neben dem Speed noch viel Klettern und Bouldern gewesen, heute ist es dann das Lauf- oder Sprinttraining. Also noch viel Grundlagentraining - aber es macht mir sehr viel Spaß. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie Peter, der ja früher nichts mit Klettern zu tun hatte, auch an der Wand bei jedem von uns spezifische Schwächen erkennt und Vorschläge hat, was anders beziehungsweise besser gemacht werden könnte.
Deine Bestzeit liegt bei 7,73 Sekunden, der Weltrekord der Frauen momentan bei 6,84 Sekunden: Ist für dich eine Zeit unter sieben Sekunden denkbar?
Ein Ziel von sieben Sekunden ist auf jeden Fall denkbar, auch wenn es mit den Verbesserungen nicht mehr so schnell wie in den beiden vergangenen Jahren gehen wird. Also es wird ein längerer Weg werden und nicht mehr so ein Sprung von 2019, als ich noch eine Zeit von 8,809 Sekunden hatte, auf heute sein.
Wie trainierst du?
Wir sind zu fünft im Kernteam: Nuria Brockfeld, Linus Bader, Leander Carmanns, Sebastian Lucke und ich. Gemeinsam mit den anderen zu trainieren, pusht voll, das bringt super viel. Und auch mit den Jungs zu trainieren, hilft. Wenn die Jungs auf einen höheren Kasten springen, dann spornt das an, es auch zu schaffen. Wir sind inzwischen ein zusammengeschweißtes Team, das ist richtig gut. Und wir sehen uns auch fast täglich für zwei bis drei Stunden: entweder in Hilden an der Speedwand oder in Düsseldorf für die Leichtathletik. Einen Tag in der Woche haben wir frei.
Ist Speed-Training manchmal auch langweilig?
Im Moment nicht. Wir machen jeden Tag etwas anderes: Krafttraining, Lauftraining und Sprungtraining. Ich habe früher selber auch Leichtathletik gemacht, ich mag das ja eigentlich gerne.
Wo sind deine Schwächen?
Wir arbeiten viel mit Videoanalysen, das ist sehr hilfreich. Da sieht man sehr gut, wo der Lauf nicht optimal ist. Ich bin gerade dabei, meine Beta umzustellen, ich möchte die Herren-Variante übernehmen, um noch schneller zu werden. Vor allem im mittleren Teil gibt es einige Stellen, wo ich bislang mit beiden Händen den Griff genommen habe. Die Jungs greifen nur mit links, blockieren und ziehen dann einarmig durch. Das spart Zeit. Es schaut bei mir eigentlich schon ganz gut aus. Aber ob ich die neue Beta schon in diesem Jahr bei Wettkämpfen umsetzen kann, wird sich noch zeigen. Das braucht Zeit, die neue Beta zu verinnerlichen. Jetzt geht es erst einmal darum, jede Stelle so einzuschleifen, dass man sie im Schlaf klettern kann.
Wie gehst du mit Druck um?
Ich bin glücklicherweise ein Wettkampftyp, ich mag den Druck und die Anspannung. Ich schaffe es eigentlich ganz gut, mich unter Kontrolle zu behalten, auch wenn ich natürlich nervös bin. Aber ich mache mir nicht zu viele Gedanken, was alles sein oder passieren könnte, und das ist auch gut so. Ich bin meine Bestzeit im Wettkampf gelaufen, im Training bin ich bislang nie unter acht Sekunden geblieben… vielleicht lag es mit am Adrenalin.
Was sind deine großen Ziele?
Ein Start bei Olympischen Spielen wäre für mich natürlich ein großer Traum. Es ist jetzt nicht unbedingt ein Riesen-Ziel… aber wäre natürlich schon cool, sagen zu können, dass man dabei war. Mein kurzfristiges Ziel ist jetzt aber erst einmal, mich bei den Weltcups durchzusetzen und vorne mitmischen zu können.
Denkst du eigentlich manchmal auch über eine Profikarriere nach?
Es wäre schon cool, vom Klettern leben zu können. Aber das wird schwierig werden, die Frage ist, ob das überhaupt mit den notwendigen Sponsoren klappen würde. Also drei oder vier Jahre lang wäre es sicher schön, sich nur auf das Klettern fokussieren zu können. Aber auf Dauer dann eher nicht. Wahrscheinlich ist es auch gut, noch etwas ganz anderes machen zu können. Ich studiere Verkehrswirtschaftsingenieurwesen – hat mit Speed oder Sport also gar nichts zu tun.
Wie hast du überhaupt Speed für dich entdeckt?
Das war schon sehr früh. Ich bin mit acht Jahren bei einem Kids-Cup, der im Combined-Format lief, also auch mit Speed, gestartet. Das hat mir schon damals Spaß gemacht und ich war schon damals gut. Also eigentlich gehört Speed für mich dazu, seitdem ich Wettkämpfe mache.
Wann wusstest du, dass Speed deins ist?
Also das war eigentlich keine bewusste Entscheidung, die ich irgendwann getroffen habe. Ich war gut im Speed, deshalb durfte ich bei Speed-Wettkämpfen starten. Vor etwa zwei Jahren wurde dann der Disziplin Speed durch das Olympia-Format mehr Aufmerksamkeit geschenkt, Speed wurde mehr gefördert. Und ich habe entdeckt, wie viel Spaß es mir macht und dass ich in dieser Disziplin erfolgreich bin.
Und Bouldern und Lead?
Reizt mich schon auch noch. Aber wettkampftechnisch nicht mehr so wirklich. Ich mag den direkten Vergleich beim Speed schon sehr. Aber ich bouldere auch sehr gerne, es macht mir einfach Spaß – gerade auch am Fels.
Und wie geht es 2022 weiter mit Franzi Ritter?
Ja, wie gesagt: möglichst viele Weltcups mitklettern - und mich bei den Frauen etablieren, möglichst in der Spitze. Und dann habe ich mich durch mein Gold bei der Jugend-WM für die World Games qualifiziert. Die finden im Juli in Birmingham in den USA statt, darauf freue ich mich schon sehr. Und die Europameisterschaft in München wird sicher auch ein sehr, sehr cooler Wettkampf werden.
Interview: Gudrun Regelein