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„Ob du hochkommst oder nicht: Das liegt an dir“

Kreativität und direkte Erfolgskontrolle faszinieren Franzi Wiele am Fels wie beim Schreinern und Basteln. Das komplette Interview zu DAV Panorama 5/15.

 

Hast du den Super-Sommer schon gut nützen können?

Na Klar. Im März hatte ich meine Arbeitsstelle gekündigt, seither war ich nur unterwegs. In Marokko, in der Taghiaschlucht mit Marie, Maria und Tobi, das war super schön: zum ersten Mal eine Reise in ein fernes Land und mit einer anderen Kultur zu unternehmen. Schon der Weg dorthin war spannend: sieben Stunden im Auto (Taxi), dann noch zwei Stunden mit Eseln in das Tal hinein marschieren, weg von den letzten Dörfern. Am ersten Klettertag ist uns bewusst geworden: Wenn hier etwas passiert, bist du auf dich allein gestellt, denn Handyempfang gibt es hier nicht.

 

Warum hast du denn gekündigt?

Ich habe meine Schreinerlehre an den Schulen für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen gemacht, da lernt man den ganzen Ablauf: die Idee aufs Papier zu bringen, dann zu planen und anschließend zu fertigen. So baut man die tollsten Massivholzmöbel. In meinem alten Job war es so ziemlich das Gegenteil, viel mit Spanplatten, das bietet einfach nicht diese handwerkliche Befriedigung. Als Schreiner zu arbeiten gefällt mir schon, aber es ist schwierig einen guten Arbeitsplatz zu finden.

 

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Franziska in einer Mixed-Route bei Chamonix, Foto: Dörte Pietron

 

Suchst du jetzt eine neue Stelle?

40 Stunden will ich gerade nicht arbeiten, ich hätte gerne einen 20-30 Stunden-Job, damit ich handwerklich auf den Laufenden bleibe. Dieses Jahr aber will ich die freie Zeit für den Kader nutzen, nochmal viel klettern und wegfahren; so ab Ende September hätte ich dann wieder Lust auf eine geregelte Arbeit.

 

Gibt es schon Pläne, wo du hin willst?

In der zweiten Septemberwoche ist das Bigwallcamp des Kaders, davor würde ich vielleicht eine Woche nach Chamonix gehen. Jetzt im August habe ich einen kleinen Job, eine Woche Schnitzen mit Kindern. Anschließend möchte ich mit Freunden was unternehmen; was, haben wir noch nicht genau besprochen, wahrscheinlich Alpin- und Sportklettern.

 

Und was hat der Sommer bisher an Highlights gebracht?

Dreimal war ich in den Dolomiten: Wir haben die „Perlen vor die Säue“ (11 SL, IX-) an der Kleinen Zinne geklettert. Ein bisschen schade: Die ersten (und schwersten) sechs, sieben Längen konnte ich alle onsight klettern, dann hat es geregnet und wir mussten abseilen. Am nächsten Tag sind wir dann nochmal rein und ich habe alles rotpunkt geklettert. Allerdings bin ich oben noch ausgerechnet in einer 6b(-VII)-Seillänge rausgekippt, die ich dann nochmal geklettert habe. Jedenfalls war das eine super Tour. Anschließend sind wir an den Brunecker Turm gefahren zur „Ottovolante“ (11 SL, VIII+), aber auch dort in den Regen gekommen.
Beim nächsten Mal sind wir zum Brunecker Turm und wollten die „Anton aus Tirol“ (10 SL, VIII+/IX-) steigen – da hat’s dann geschneit und am nächsten Tag geregnet.
Beim dritten Mal in den Dolos war dann das Wetter super und so konnte ich „Primaballerina“ onsight klettern. Die „Hasse-Brandler“ war aber nass und wir mussten die schweren Stellen A0 klettern.
Mit Marie habe ich im Bozener Rissklettergebiet Monticolo die Rissroute „Coyote“ (4 SL, VIII) geklettert, von den Rieglerbrüdern, die ist komplett clean, also nur mit Keilen und Friends zu sichern, nur die Stände sind gebohrt. Dann haben wir noch das „Anrainerproblem“ (IX-) gemacht, das teilweise gebohrt ist, aber die Risse muss man selber absichern; eine Stelle konnten wir allerdings nicht freiklettern.

 

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Foto: Archiv Franziska Wiele

 

Was gehört für dich zu einem guten Tag am Berg?

Wenn ich mit meinen Freunden am Berg unterwegs bin, egal ob beim Alpinklettern, Sportklettern, Eisklettern oder Skifahren, und wir eine Gaudi miteinander haben, bin ich nicht zu stoppen. Natürlich darf die „Durchstiegs-Faust“ nicht fehlen. Am Abend dann der Sonne beim Untergehen zusehen mit einem Radler in der Hand. Dann wars ein geiler Tag.

 

Wie viel Kampf darf oder soll sein?

Ich fighte schon gern in einer Route, aber es darf auch mal gemütlich sein. Nach einer Woche voll Durchziehen mit dem Kader mag ich auch mal eine Tour zum Entspannen – aber dann bin ich schon wieder motiviert für was Neues.

 

Was war denn so ein Erlebnis, wo alles gepasst hat?

Gerade in der „Perlen vor die Säue“, wo ich gemeinsam mit Tobi, Vroni und Marie unterwegs war. Wir sind nebeneinander geklettert, konnten uns gegenseitig anfeuern. Dann ist das Wetter schlecht geworden. Wir waren am Stand auf einem Band, im leichten Regen, und haben spaßige Pseudo-Werbefotos mit Snickersriegeln gemacht. Zurück am Parkplatz haben wir gemeinsam gekocht, dann hat das Wetter aufgerissen und es gab tolle Wolkenstimmungen in diesen großartigen Bergen. Und am nächsten Tag sind wir nochmal eingestiegen und haben die Tour Rotpunkt geklettert.

 

Hast du Traumtouren?

Schon: Gerne würde ich mal ins Yosemite fahren, oder Rissklettern in Utah. Auch an den Zinnen gibt es viele interessante Ziele. Aber natürlich gibt es viele schöne Touren.

 

Wie kommst du auf deine Ziele?

Man liest Kletterzeitschriften, Internet-Empfehlungen oder Kletterführer – das sind für mich die schönsten Bücher. Oder Freunde erzählen, was sie gemacht haben. Infos von Freunden sind am besten; die kannst du auch nach Details fragen, und wenn dich jemand kennt, kann er dir sagen: die Tour taugt dir voll, oder da musst du vielleicht aufpassen.

 

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Franziska Wiele in Supercouloir (Chamonix), Foto: Dörte Pietron

Was reizt dich an einer Tour? Name, Linie, Schwierigkeit, Nimbus?

Der Berg an sich. Wenn du vor den Drei Zinnen stehst, willst du sofort einsteigen. Dann die Routenführung einer Tour. Oder der Gedanke, vor wie vielen Jahren das schon geklettert wurde. In alten Klassikern kannst du die alpine Geschichte nacherleben.

 

 

Zum ersten Mal warst du mit deiner Mutter klettern – wie ging es dann weiter?

Als Kinder haben uns unsere Eltern schon immer mit in die Berge zum Wandern und auf Skitouren genommen. Aber ich wollte schon immer klettern. Als ich 12 Jahre alt war, hat meine Mutter angefangen zu klettern und ich bin dann sofort mitgegangen. Anfangs nur in der Halle, später dann immer mehr am Fels und in den Bergen.
Ich bin dann ziemlich schnell in der Wettkampfgruppe Kempten-Allgäu gelandet. Das Wettkampfklettern hat mir aber nie so richtig Spaß gemacht, ich wollte immer schon lieber am Fels und in den Bergen unterwegs sein.

Ich hatte mich eh schon öfter abgemeldet im Training, wenn bei super Sommerwetter die Kumpels draußen am Fels waren. Dann bin ich auch lieber mit an den Rottachberg. Aber wenn du nicht regelmäßig im Training bist, bist du nicht mehr auf dem Laufenden, irgendwann hat’s einfach nicht mehr gepasst.

 

Machst du noch was gemeinsam mit deinen Eltern?

Mit meinen Eltern gehe ich nur noch sehr selten gemeinsam Klettern. Aber im Sommer gehen wir alle vier zusammen in die Berge zum Wandern und im Winter auf Skitour.

 

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Franziska im Elbsandsteingebirge, Foto: Archiv Franziska Wiele

Wie geht es dir in heiklen Situationen?

In der Gefahrensituation selber bleibe ich eher cool. Hinterher sollte man durchsprechen: wieso ist das passiert? was könnte man besser machen?, damit’s nicht wieder passiert. Manche Dinge passieren halt einfach, aber der Fehler beim Abseilen war wirklich unnötig.

Ich hab jetzt schon zweimal Unfälle beim Abseilen erlebt. Wenn man immer wieder so was hört, dann sagst du dir: Da kannst du auch die zwei Sekunden investieren, um den Prusik einzubinden, während der Kumpel runterseilt.

 

Wie schätzt du ab, welches Risiko du eingehen magst?

Ich frage mich nicht: Was für ein Risiko will ich eingehen? Man informiert sich vor einer Tour und überlegt, kann ich das, Ja oder Nein? Wenn man dann vor einer Tour steht und die Verhältnisse sind doch anders als man sich es vorgestellt hat, muss man auch umdrehern können.

 

Wie verteilt sich deine Zeit auf Arbeit, Berge und Privatleben oder Hobbys?

Seit ich von Marokko zurück bin, war mein Rhythmus ungefähr: zwei Tage daheim, fünf Tage unterwegs. Wenn ich viel Zeit habe, nütze ich die auch, auch wenn’s nur Sportklettern ist.
Als ich einen festen Job hatte, gab es für mich nur Arbeit und Klettern. Aber wenn ich etwas mehr Zeit habe, dann nähe ich auch gern: Pullis, Kletterhosen, Stirnbänder, Röcke. Oder ich arbeite als Schreinerin. Das schöne am handwerklichen Arbeiten ist, man sieht was man den ganzen Tag gearbeitet hat, ob es gut ist oder nicht. Eigentlich ähnlich wie beim Klettern: entweder kommst du hoch oder nicht, es liegt an dir.

 

Ist dir die Kreativität auch beim Klettern wichtig?

Auf jeden Fall. Pastikklettern mag ich gar nicht mehr. Beim Felsklettern ist jede Tour anders, jedes Gestein fordert andere Bewegungen, es ist ein Tanz von Bewegungsabfolgen. Wenn du kletterst, hast du nichts anderes mehr im Kopf, bist voll konzentriert auf das was passiert.
Bei einem Kadertreffen mit der Mentaltrainerin Alexandra Albert sind wir einmal blind geklettert. Ich bin sowieso eher ein Gefühlsmensch, und das war ein total abgefahrenes Gefühl, intensiv und unbeschreiblich.

 

Was hast du schon gelernt in der bisherigen Kaderzeit?

Richtig viel hab ich gelernt, vor allem im Alpinen. Eigentlich habe ich erst im Kader angefangen mit dem Eisklettern, hatte nur drei Hochtouren gemacht. Nordwände waren mir völlig fremd. Seit der Kader Zeit war ich viel im Eis unterwegs, so dass ich mich nun auch hier sehr sicher fühle.

 

Was möchtest du gerne noch lernen?

Ich will einfach weiter viel lernen, richtig gespannt bin ich auf das Bigwallcamp, zu dem Silvia Vidal zu uns kommt. Wie baut man ein Portaledge auf und hault seine Sachen die Wand hoch? Was ich mir aber noch mehr wünschen würde, wäre Training in Erster Hilfe und Bergrettung. Wenn was passiert, sollte man wissen was man tut.

 

Sind Eure Gedanken zur Abschlussexpedition schon weiter gediehen?

Wir haben sechs vorläufige mögliche Ziele ausgesucht. Jetzt recherchieren immer zwei Leute zwei Ziele, Mitte August entscheiden wir dann wo es hin gehen soll. Tadjikistan, China, Chile und Indien stehen hoch im Kurs.