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Spaniens wilder Norden

Mit dem DAV Summit Club nach Asturien

Das Fürstentum Asturien ist zwar relativ klein - Bayern ist mehr als sechsmal größer -, doch steht rund ein Drittel der Provinz unter Naturschutz. Die wenig bekannte Region ist unter Spaniern ein beliebtes Reiseziel und ein Naturparadies von wunderbarer Vielfalt.


Birgit und Harald Antes waren für DAV Panorama im Herbst 2017 vor Ort und haben einige herausragende Wanderziele an der grünen Atlantikküste, im Naturpark Somiedo und in den zerklüfteten Picos de Europa entdeckt.

 

Parallel dazu hat der DAV Summit Club eine einwöchige Sonderreise ausgearbeitet, die ab Mitte Juni nach Asturien führen wird.

 

Im Naturpark Somiedo

Grausig früh am Morgen hat uns Gloria Lana abgeholt. In der Dunkelheit ist allenfalls zu erahnen, wie steil und exponiert die schmalen Bergstraßen sind, auf denen sie zügig dahin kurvt. Am Ende des Hochtals, in den archaischen Steinhäusern der Siedlung Perlunes, leben dauerhaft nur noch wenige Menschen. Während das erste Tageslicht die höchsten Gipfel streift, stapfen wir auf einen Hügel oberhalb vom Dorf. Eilig baut Gloria das Stativ mit dem armdicken Fernrohr auf. Wir sind spät dran, meint die resolute Biologin. Unwahrscheinlich, dass wir heute noch Bären sehen werden.

Glorias Heimat, der 1988 deklarierte Parque Natural de Somiedo, ist der älteste Naturpark Spaniens und seit 2000 Biosphärenreservat. Die so entlegene wie dünn besiedelte Region im Südwesten Asturiens ist idealer Lebensraum für die größte Braunbären-Population der iberischen Halbinsel. Die Landschaft ist geprägt von bizarr verwitterten, bis zu 2100 Meter hohen Felsbergen, ausgedehnten Eichen- und Buchenwäldern, Almen und Gebirgsseen. Was freilich auch für Wanderer ein attraktives Gelände ist. Kein Problem, versichert die zertifizierte Gebietsführerin. Auf den markierten Pfaden einem der scheuen Bären zu nahe zu kommen sei nahezu ausgeschlossen. Und sensible Bereiche des Parks seien für Touristen gesperrt.

 

Am Gegenhang rührt sich etwas. Ein stattlicher Hirsch. Weiter oben tummeln sich Gämsen. Am fahlen Morgenhimmel kreisen Adler. Zahlreiche Tierarten bevölkern die einsamen Hochregionen: darunter Wildschweine, Wölfe, Wildkatzen, Auerwild und Geier. Im Fokus der meisten Besucher stehen indes die etwa 200 Braunbären. Gloria findet das schade - es gäbe hier wirklich einiges mehr zu entdecken.

Ein derart harmonisches Miteinander von in Jahrhunderten entstandener Kulturlandschaft und sich selbst überlassener Natur wie in Somiedo ist rar geworden in einem großflächig flurbereinigten Europa. Auf den Brañas genannten Hochalmen grasen die autochthonen Rinder der Rasse Asturiana de los Valles. Die Tiere werden heutzutage zwar vom Tal aus versorgt, die traditionellen Unterkünfte für Hirten und Vieh jedoch weiterhin instand gehalten. Und so trifft man unterwegs immer wieder auf diese originellen, mit getrocknetem Besenginster gedeckten Steinhütten, die Teitos.

 

Über einen aussichtsreichen Almsteig führt Gloria uns zur Braña Mumián. In der von steinalten Trockenmauern parzellierten Wiesenmulde zählen wir ein gutes Dutzend der struppigen Behausungen. Eine Szenerie, als wäre die Zeit stehen geblieben, und jeden Moment könnten Asterix und Obelix um die Ecke kommen.

Die fantastische Umgebung macht Lust auf mehr: die Tour zu den Seen im hinteren Valle del Lago, der Höhenweg zu den Brañas über dem Valle Saliencia. Länger als geplant bleiben wir in Somiedo – und doch zu kurz. Bären haben letztendlich keinen unserer Wege gekreuzt. Was nicht unbedingt ein Schaden sein muss.

 

An der Atlantikküste

Wo Asturien an den Atlantik stößt, legt man gerne eine Pause ein. Grünes Hinterland, spektakuläre, von Wind und Wellen zerfressene Klippen, zauberhafte Buchten mit feinstem Sandstrand und malerische Fischernester. Zu Recht gilt die Costa Verde als schönste Küste Spaniens. Strandliegen-Kolonien und große Hotelanlagen findet man keine. Aber etliche Gelegenheiten, die Wanderschuhe zu schnüren. Auf einem Teilabschnitt des Küstenwegs E9, dem Senda Costera, bummeln wir zwischen vom Wind zerzaustem Buschwerk, Wiesen- und Karstflecken von der Playa de Vidiago in Richtung Llanes. Beim Hinweisschild „Bufones de Arenillas“ zweigen Pfade ab auf das Plateau vor den Steilabbrüchen, wo man vor allem im Winter – und aus sicherer Entfernung – ein gewaltiges Naturschauspiel beobachten kann.

 

Bei starkem Seegang wird durch unterirdische Gänge im porösen Kalkgestein Wasser gepresst, das schließlich ein gutes Stück landeinwärts in bis zu 40 Meter hohen Fontänen aus Löchern und Spalten schießt. An diesem ruhigen Herbsttag dümpelt der Atlantik friedlich unter einem makellos blauen Himmel, und die Bufones kochen nur auf Sparflamme. In regelmäßigen Abständen grollt und faucht es in der Tiefe – und manch einer, der sich zuvor forsch an einen Schlund herangepirscht hat, springt erschrocken zur Seite.

In buchstäblich große Fußstapfen kann sich begeben, wer von der Playa de la Griega bei Lastres den reizvollen Klippenweg zum Örtchen La Isla ansteuert. Vor 150 Millionen Jahren haben sich in dieser Gegend Dinosaurier herumgetrieben, deren versteinerte Abdrücke an mehreren Stellen der Küste gefunden wurden. Die größten davon, am östlichen Rand des ockergelben Strandes von la Griega, sind frei zugänglich. Etwas Fantasie ist allerdings vonnöten, um sich die Mulden im Fels als Spuren der prähistorischen Riesen vorzustellen.

 

In die Picos de Europa

Wer Asturien bereist, sollte sich regelmäßig über die aktuellen Wetterprognosen für die anvisierten Ziele informieren. Die Wetterküche um den Golf von Biskaya liefert kein Einheitsmenü. Schnelle Wechsel sind normal, und ein paar Ecken entfernt von einem Regengebiet kann eitel Sonnenschein herrschen. Gegenspieler der atlantischen Wolkenoffensiven sind die Berge der Kantabrischen Kordillere, die gleich hinter der Küste beginnen und sich auf 25 Kilometer Luftlinie von Null auf 2600 Meter steigern. Diese Barriere trennt das grüne Spanien im Norden vom trocken, heißen kastillischen Hochland.

Der Ausblick vom Mirador del Fito erinnert uns an Irland: ein vom weißen Band der Ozeanbrandung umsäumtes, üppig grünes Land unter theatralisch aufgebauschtem Gewölk. Vom Aussichtsturm an der Passstraße über die Sierra del Sueve müssten eigentlich auch die Picos de Europa zu sehen sein. Das angekündigte Hochdruckgebiet hat sich indes noch nicht vollends durchgesetzt, der dunkle Wolkenvorhang im Südosten bleibt vorerst geschlossen.

 

Cangas de Onis, der Hauptort am Nordrand der Picos, empfängt uns gar mit prasselndem Regen. Im Osten sieht es heller aus, also verschieben wir die Tour zu den berühmten Lagos de Covadonga und fahren gleich weiter nach Arenas de Cabrales. Gerade einmal 30 Kilometer entfernt von grau feuchter Tristesse verbünden sich blaue Löcher am Himmel zu einem heiteren Gesamtbild. Es zahlt sich aus, flexibel zu sein in dieser Gegend.

Den heftigsten Szenenwechsel auf kurze Distanz erleben wir am nächsten Morgen. Zehn Minuten Fahrt sind es von Arenas nach Puente Poncebos. Von 135 auf 218 Meter „Höhe“, von ländlicher Umgebung in einen von himmelhohen Felswänden umschlossenen Winkel. Ein „Ende der Welt“, das zugleich Ausgangspunkt ist zu einigen großartigen Touren. Bis zur Eröffnung der unterirdischen Zahnradbahn 2001 war der erst 1988 an das Stromnetz angeschlossene Weiler Bulnes nur zu Fuß erreichbar. Sieben Minuten braucht der Funicular de Bulnes ab Poncebos für die gut zwei Kilometer und 400 Höhenmeter. Das etwa 40 Einwohner zählende Nest am Ende des Tunnels hat Bilderbuch-Charakter: enge, gepflasterte Gassen zwischen urigen, geraniengeschmückten Steinhäusern, Freiluft Restaurant am plätschernden Bach. Das Ganze eingerahmt von Wiesenflecken und Baumgruppen und überragt von zerfurchten Kalkklötzen.

 

 Ein holpriger Pfad windet sich hinauf zu den Almen am Collado Pandébano. Und endlich zeigt er sich, der Picu Urriellu. Der von den Einheimischen Naranjo de Bulnes (Orangefarbener von Bulnes) genannte steile Zahn ist mit 2519 Meter Höhe zwar nicht der höchste, aber der imposanteste Gipfel der Picos de Europa – und das Wahrzeichen der Region.

In Poncebos beginnt – oder endet je nach Gehrichtung – auch eine der populärsten Wanderstrecken Spaniens. Schon im 18. Jahrhundert wurde die zwischen hohen Wänden eingekerbte Schlucht des Rio Cares als „la Garganta Divina“, die „Göttliche“ gerühmt. So unzugänglich der wilde Canyon aussieht, so kühn war das Projekt, zwischen 1915 und 1921 mit 500 Arbeitern weit oberhalb des Flussbetts einen Wasserkanal mit 71 Tunneln in die Felswände zu schlagen. Auf dem später (1945-1950) ausgebauten und seither fast unveränderten Wartungsweg für den Kanal verläuft die Ruta del Cares – eine Tour so einzigartig wie spannend.

 

Auf der zwölf Kilometer langen, exponierten, aber relativ breiten Trasse zwischen Poncebos und Cain herrscht zur Hauptsaison reger Wanderverkehr. Und auch jetzt im Spätherbst sind reichlich Leute unterwegs, doch die grandiose Garganta del Cares muss man einfach gesehen und erlebt haben.

Auf direktem Wege führt die Seilbahn von Fuente Dé auf der Südseite des Massivs in die obere Etage der Picos. Auf 1834 Meter Höhe, erwartet uns ein atemberaubendes Panorama. Auf der einen Seite Tiefblick und Fernsicht über grüne Täler und bewaldete Berge, auf der anderen die steinige Welt der Picos de Europa. Das schroffe Karstgebirge ist Herzstück des ältesten Nationalparks Spaniens und seit 2003 Unesco-Biosphärenreservat. Unser Aufstieg zum 2503 Meter hohen Torre de los Horcados Rojos zählt durchaus zu den leichteren Exkursionen. Unter wuchtigen Wänden geht es stetig bergauf, über loses Geröll und scharfkantig geriffelte Karststufen. In der Ferne glänzt die silberne Kuppel der Cabaña Verónica – wie eine Raumstation auf der hellen Seite des Mondes. Später, beim Abstieg, werden wir bei der optimal ausgestatteten Biwakhütte vorbei schauen. Von der Scharte unter dem Gipfel wird erstmals der Blick frei nach Norden, über nahezu vegetationsloses Ödland zu einem meerblauen Horizont. Mittendrin im Meer der Steine ragt stolz erhobenen Hauptes der Pico Urriellu in den wolkenlosen Himmel. Einige Argumente mehr für den längst gefällten Entschluss, dass das Kapitel Asturien für uns noch lange nicht abgeschlossen ist.

 

DAV Summit Club: Sonderreise für Panorama Leser

Abgestimmt auf die Reportage in DAV Panorama hat der DAV Summit Club eine Leserrreise entwickelt, die in einer Woche durch das ursprüngliche Asturien führt: von der wilden Küste Costa Verde über die rustikale Almenlandschaft des Naturparks Somiedo bis zu den dolomitensteilen Picos de Europa mit der 2000 Meter tief eingeschnittenen Cares-Schlucht und dem Gipfel des Torre de los Horcados Rojos.

Reisedauer: 8 Tage, Start 17. und 24. Juni. Inkl. Kultur- und Bergwanderführer, 7 Übernachtungen (5x Hotel, 2x Hütte), Halbpension, Lunchpakete, Busfahrten, Versicherungen.
 

Preis: ab 990 EUR (zzgl. Flug)

 

Weitere Infos und Buchung: www.dav-summit-club.de, Buchungscode ESSODAV, Tel.: 089/642 40 109

 

Somiedo

Im Bereich des Naturparks Somiedo leben nur 1600 Menschen, also fünf pro Quadratkilometer. Die Wanderungen im Bereich der fünf Täler folgen meist alten Almsteigen und Wirtschaftswegen. Viele Gipfel liegen in der Kernzone des Parks, welche den Wildtieren vorbehalten und für Touristen gesperrt ist.

  • Braña Mumián
    Start/Endpunkt: El Llamardal im Valle de Somiedo oder Urria im Valle del Lago.
  • Lago del Valle und Braña Sousas
    Start in der Siedlung Valle del Lago. Auffahrt von Pola de Somiedo.
  • Ruta de las Brañas de Saliencia
    Start/Endpunkt: Saliencia oder Arbeyales im Valle Saliencia.

Geführte Touren: www.asturiaswalks.com

 

Info online: www.visitsomiedo.com, www.parquenaturalsomiedo.com, hier findet man etliche Routenbeschreibungen (spanisch) sowie Kartenskizzen.

 

Costa Verde

Die Autobahn nähert sich nur an wenigen Stellen der 350 Kilometer langen Küstenlinie. Die malerischen Strände und Fischerdörfer – etwa Luarca, Cudillero oder Lastres – sind auf ruhigen Seitenstraßen erreichbar.

  • Bufones de Arenillas
    Die 2001 zum Monumento Natural erklärten Meerwasser-Geysire sind am einfachsten erreichbar über den Küstenweg E 9 bei Vidiago.
  • Saurierküste – Costa de los Dinosaurios
    Die Abdrücke von Saurieren an der Playa de la Griega zählen mit 1,20 m Durchmesser zu den größten die jemals vermessen wurden. Zugang über den Senda Costera bei Lastres. Anfahrt über Colunga.
  • Mirador del Fito
    Der Aussichtsturm auf 629 m befindet sich am Scheitelpunkt der Passstraße zwischen Colunga nach Arriondas über die Sierra del Sueve. Bei gutem Wetter fantastischer Blick auf Atlantik und Picos de Europa.
 

Picos de Europa

Das schroffe Karstgebirge ist Teil des 1918 begründeten, ältesten Nationalparks Spaniens – und mit rund 40 km Länge und 20 km Breite kleiner als das Karwendel (45 x 30 km). Die Touren in den Hochregionen des Massivs sind überwiegend anspruchsvoll, mühsam und lang, die Hütten meist schlicht oder nur für Selbstversorger eingerichtet.

Literatur:

  • Susann Heße/Ángel Álvarez Muñiz: Asturien, Rother Wanderführer 2018.
  • Cordula Rabe: Picos de Europa, Rother Wanderführer 2017.
  • Thomas Schröder: Reiseführer Nordspanien, Michael Müller Verlag 2017.

Karten:

  • Zur Übersicht und für die Anfahrt, Michelin, Nr. 142, 1:150.000, Asturien, Costa Verde.
  • Die besten Wanderkarten für die Picos de Europa findet man vor Ort.
  • In Somiedo muss man sich mit den bunten Karten auf Tourismusprospekten behelfen.

Tourismus Info: www.turismoasturias.com

Direktflüge ab München: www.volotea.com