Ehrenamtliche im Interview: DAV-Vizepräsidentinnen
19.10.2017, 17:04 Uhr
Burgi Beste, Sunnyi Mews und Melanie Grimm (v.l.n.r.) sind Mitglieder des DAV-Präsidiums. Das bedeutet: viel Zeit ins Ehrenamt investieren, eine große Verantwortung für den Verein tragen, aber auch etwas bewegen können. In der nächsten Panorama-Ausgabe 2 2019 erscheint ein ausführliches Porträt der drei Vizepräsidentinnen, zum Internationalen Frauentag am 8. März sprechen sie über Führungspositionen, Gleichstellung und Vielfalt im DAV.
Das DAV-Präsidium setzt sich zusammen aus vier Männer und drei Frauen – sozusagen ein „gemischtes Team“. Tut das dem Gremium gut? Oder ist das völlig egal?
Burgi Beste: Ich glaube, dass gemischte Teams anders zusammenwachsen, als wenn es nur Männer wären. Man muss es aber gar nicht unbedingt immer thematisieren. Wir sind einfach ein Team mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, die wir einbringen.
Sunnyi Mews: Wobei ich nicht weiß, ob ich mich in ein reines Männerpräsidium hätte wählen lassen. Das zeigt, welche Signalwirkung das hat, dass bereits zwei Frauen im Präsidium waren.
Melanie Grimm: Mich hat das nicht davon abgehalten, ich bin ja quasi die erste von uns im jetzigen Präsidium gewesen. Für mich war die Vielfalt ausschlaggebend, ich wusste, da sind erfahrene Leute dabei, und auch jüngere. Wir sehen übrigens in den Sektionen, dass dort, wo gemischte Vorstände arbeiten, die Ergebnisse besser sind. Weniger Wechsel in den Vorständen, gute Arbeit, steigende Mitgliederzahlen, weniger Konflikte insgesamt. Das ist messbar.
Als Frau in einer hohen Führungsposition in einem großen und lange Zeit männlich geprägten Verein. Gibt es da Reaktionen/Fragen?
Sunnyi Mews: Ja. Zum Beispiel von Sektionsvorsitzenden, auf meiner ersten Hauptversammlung als Vizepräsidentin. Das liegt vielleicht auch an der Tatsache, dass es vor mir ja quasi 40 Jahre lang ja keine Bundesjugendleiterin gab. [Anmerkung d. Red.: Als gewählte Bundesjugendleiterin der JDAV ist Sunnyi Mews gleichzeitig Mitglied im DAV-Präsidium.]
Melanie Grimm: Es ist schon so, dass ich angesprochen werde: „Echt? Das machst du? Wie schaffst du das und warum machst du das?“ Also eher im Sinne von Interesse und Überraschung. Weil es eben immer noch so ist, dass Frauen in Führungspositionen nicht so selbstverständlich sind, wie es sein sollte. Wenn wir jetzt darüber reden, dann hat es ganz viel Selbstverständliches. Und nichtsdestotrotz wissen wir, dass es da eine gewisse Beharrlichkeit braucht.
Burgi Beste: Ich bin nie gefragt oder darauf angesprochen worden, dass ich mir das „als Frau“ zugemutet habe. Fragen aus Interesse und Neugierde ja, aber keine, die darauf abzielen: „Warum machst du das als Frau?“, sondern eher „du bist voll berufstätig, du hast eine Familie. Wie schaffst du das alles noch nebenbei?“ Ich glaube, dass genau diese Frage an dieser Stelle auch einem Mann gestellt würde.
Sunnyi Mews: Wobei ich glaube: Männer werden das vielleicht mal gefragt, aber mit Sicherheit nicht mit so einer Regelmäßigkeit. Gerade dieses „Ah, ja, aber hast du nicht auch noch Familie?“ oder „Plant ihr nicht auch Familie?“ Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass diese Frage meinem Vorgänger oft gestellt wurde.
Ihr habt es euch mit der Entscheidung, für das Amt zu kandidieren nicht leicht gemacht, und gründlich überlegt. Ist das typisch für Frauen, eher zurückhaltend zu sein, sich vielleicht sogar zu fragen: „Kann ich das auch wirklich?"
Burgi Beste: Das hat auch etwas mit Verantwortungsgefühl zu tun. Wenn ich so einen Job übernehme, dann will ich den Job auch gut ausfüllen. Dann will ich voll für diesen Job zur Verfügung stehen. Und das ist dann, glaube ich, eher charakteristisch für Frauen, darüber viel mehr nachzudenken.
Melanie Grimm: Wir kennen das ja aus dem Ehrenamtsbereich. Wir wissen, dass Frauen eher angesprochen werden wollen. Es ist selten, dass eine Frau so völlig ungefragt ihren Hut in den Ring schmeißt. Egal, ob in Kommissionen, Präsidialausschüssen oder sonst irgendwo. In der Regel braucht es irgendeinen Anstoß. Und wenn wir Ehrenamtliche gewinnen wollen, dann schauen wir da ja auch: Wie können wir Frauen gesondert ansprechen? Ein Mann sagt schon eher: „Ja, ich mache das dann mal.“ Und ich glaube schon, dass er das genauso gut machen will und dass er auch dieses Gefühl von Verantwortung hat. Aber dieser erste Schritt, das schneller klar zu haben, es zu können und zweifelnde Gedanken, was da alles eine Rolle spielt. Da ticken Frauen oder die meisten Frauen, glaube ich, tatsächlich anders als die meisten Männer. Ausnahmen gibt es immer und überall. Aber genau deshalb ist es ja ein Thema auch in der Ehrenamtsarbeit.
Sunnyi Mews: Ich tue mich schwer mit der Konnotation „typisch weiblich“, weil ich glaube, das gibt es eigentlich nicht. Das, was typisch weiblich ist, ist letztlich gelernt. Also zu hinterfagen: „Kann eine Frau das auch?“ Und zeigen zu müssen „Eine Frau kann es ohne Probleme genauso gut wie ein Mann.“ Mein Zweifel war nie: Kann ich das?“ Sondern eher: „Kriege ich das zeitlich hin“? Und ich glaube tatsächlich, an der Stelle haben das Jungs viel weniger. Die machen das. Weil sie es so lernen, weil das so klar ist in unserem System, dass sie vorangehen, dass sie wild sind, dass sie vorne stehen.
Wobei sich ja in Sachen Chancengleichheit und Gleichstellung schon einiges getan hat - in der Gesellschaft wie im Verein.
Melanie Grimm: Wenn ich an meine erste Hauptversammlung denke, ich weiß das Jahr nicht mehr: Ich bin rausgegangen und die beiden Vorsitzenden, mit denen ich unterwegs war, haben mich nach meinem Eindruck gefragt. Und ich habe gesagt: „Was für ein straff organisierter, professioneller Verband. Aber alles alte Männer.“ Wenn ich mir jetzt unsere Hauptversammlung und unsere Gremien ansehe, dann ist da eine Menge passiert. Und das ist draußen auch so. Ich sehe, dass ganz viel passiert, dass viel mehr Männer mit dem Kinderwagen unterwegs sind und Elternzeit nehmen. Aber ich sehe genauso, dass alte, gelernte Dinge immer noch eine Rolle spielen.
Burgi Beste: Ich sehe auch, dass sich schon viel verändert hat. Wenn ich in meinem Beruf Kinder in der ersten Klasse sitzen habe, dann bin ich als Lehrerin diejenige, die alle gleich behandelt. Ich würde einem Mädchen nie sagen: „Das macht nichts, dass du in Mathe nicht so gut bist“ oder so. Aber klar, sie bringen ihre Sozialisierung schon von zu Hause mit.
In unserem Verein ist schon eine Menge hineingestrahlt. Wenn ich mir die Vorstände angucke, die gemischt sind, die auch aus Jung und Alt und Mann und Frau bestehen, ist da schon ein ganz anderes Vereinsleben entstanden, als es vor 20 Jahren war.
Melanie Grimm: Das sind die zarten Pflänzchen unserer konsequenten Arbeit an dem Thema. Also das, was Ulrike Seifert im DAV vor gefühlten 100 Jahren mal angefangen hat. Und auch viele Widerstände erfahren hat. Und was wir dann in der Kommission Ehrenamt wieder aufgenommen haben, wo wir gesagt haben: „Wir müssen das Ehrenamt allgemein stärken. Aber wir müssen auch an bestimmten Stellen Frauen ganz besonders fördern und ermuntern und es immer wieder in alle Bereiche spielen.“
Burgi Beste: Generell hat das Thema Vielfalt eine ganz andere Rolle eingenommen im DAV. Wir schauen mehr auf verschiedenste Gruppen, wir nehmen die Jungen in den Blick die Senioren, Menschen mit Migrationshintergrund. Die Summe macht’s.
Sunnyi Mews: Und wenn wir auf die Jugend schauen: Der Beschluss, zu sagen, wir haben eine paritätische Doppelspitze, das war eine kleine Revolution. Es sind aber auch viele kleine Dinge, die bewirkt haben, dass wir so vielfältig mit Jung und Alt und Frau und Mann umgehen. Ich glaube, dass sich die Vereinsarbeit zunehmend bunter gestalten wird.
Burgi Beste
- Jahrgang 1955
- Pädagogin – Grundschulleiterin
- Mitglied in der Sektion Recklinghausen seit 1995
- 2001 bis 2015 Wettkampfsportbeauftragte der Sektion
- 2001 bis 2015 Leistungssportreferentin und Mitglied im Landesvorstand des DAV NRW
- 2001 bis 2015 Mitglied in der Kommission Sportklettern bzw. den Vorgängergremien
- 2009 bis 2015 Vorsitzende der Kommission Sportklettern
- Seit 2015 DAV-Vizepräsidentin
- Seit 2015 Mitglied im Präsidialausschuss Bergsport, seit 2004 in den Vorgängergremien
- Seit 2002 nationale Schiedsrichterin, seit vielen Jahren mit A-Lizenz
- Seit 2006 internationale Schiedsrichterin, seit 2013 Jury Präsidentin
Sunnyi Mews
- Jahrgang 1992
- Psychologin
- Mitglied in der Sektion Essen seit 2006
- seit 2009 Jugendleiterin „Sommer/ Pädagogik“
- 2013-2015 Mitglied der JDAV-Strukturgruppe
- September 2015 Wahl zur stellvertretenden Bundesjugendleiterin
- Seit 2016 Bundesjugendleiterin JDAV und DAV-Vizepräsidentin DAV
Melanie Grimm
- Jahrgang 1967
- Dipl. Sozialarbeiterin/Dipl. Sozialpädagogin (FH)
- Angestellte im Gesundheitsdienst für Landkreis und Stadt Osnabrück
- Mitglied in der Sektion Osnabrück seit 2001
- 2003 - 2011 als Jugendreferentin Mitglied im Vorstand der Sektion
- 2011 – 2015 Erste Vorsitzende der Sektion
- 2011-2015 Mitglied der Kommission Ehrenamt
- Seit 2015 DAV-Vizepräsidentin