Neue Kletterführer
Stoff zum Greifen
Führer Klettern
28.08.2020, 08:11 Uhr
Wieder einmal haben sich einige Kletterführer in der Redaktion des Bücherbergs angesammelt – Neuauflagen, teils mit neuem Zuschnitt, und komplett Neues. Ein Überblick.
Berchtesgaden
Lange erwartet waren die Infos zu den östlichen Berchtesgadener Alpen, zweiter Band zur Region bei Panico. Der beliebte Erschließer Josef Brüderl persönlich stellt seine Reiteralm-Kreationen vor – von Klassikern wie „Sternschnuppe“ und an der Alpawand bis zur brandneuen „Alte Liebe“, das ist aber längst nicht alles. Auch die besten Klassiker sind enthalten, ob von den Huberbuam eröffnet oder von anderen Locals, die in kurzen Interviews zu Wort kommen. Neben den drei Sektoren der Reiteralm gehören natürlich auch das Blaueisgebiet und das Watzmannmassiv zu den östlichen Berchtesgadenern. Abgerundet wird die Zusammenstellung von den talnahen Touren bei Hohlwegen-Weißbach und den alpinen Sportklettereien am Südabbruch des Steinernen Meers; hier war der Coautor Rudi Kühberger aktiv. Die Infos sind auf gewohntem Panico-Niveau, samt E-Bewertung und herausnehmbaren Tourenkarten. Geballte Info für genialen Fels.
Josef Brüderl, Rudi Kühberger: Berchtesgaden West, Panico Alpinverlag, 472 S., 44,80 Euro
Allgäu
Die Neuausgabe zu den Allgäuer Alpen vom Panico-Verlagschef Achim Pasold präsentiert Klassiker und viel Neues im Kalk und Hauptdolomit. Die Region war in diversen Panico-Führern schon oft präsentiert worden, mit immer unterschiedlichen Zuschnitten; anfangs waren sogar noch die Ammergauer und talnahe Klettergärten integriert. Eine nennenswerte Nacherschließungswelle hat nun einige bisher vernachlässigte Potenziale angezapft, so dass das Buch trotz Beschränkung auf alpines (Sport-)Klettern in den Allgäuern dicker ist als die Vorgänger. Neben den Klassikern (und einigem Neuem) in den Tannheimern darf man gespannt sein auf unbekannte Ziele am Hauptkamm, von Rädlergrat und Schneck über Trettach und Höfats bis zum Widderstein.
Achim Pasold: Allgäu, Panico Alpinverlag, 2020, 424 S., 39,80 Euro
Dolomiten
130 modern abgesicherte Routen in Brentagruppe und Dolomiten versammelt „Dolomiti new age“: Altbekannt-Bewährtes und einige brandneue Kreationen. Genannt sind 14 Gipfel in der Brentagruppe, jeweils 2-4 in Rosengarten, Marmolada, Lastoni di Formin, Tamer/Moiazza und Agnergruppe; fast die Hälfte machen Sellagruppe und Falzaregogebiet aus. Die Routen sind mit schlichten Topos und meist mit Wandfotos dargestellt, neben der Kletterschwierigkeit wird auch die Absicherungsqualität bewertet, so dass man einen passablen Eindruck von den Anforderungen bekommt. Die Infos zu Zu- und Abstieg sind teilweise etwas knapp gehalten, aber mit den Kartenausschnitten und im Zweifelsfall etwas Internetrecherche sollte man zurecht kommen – und viel Spaß mit tollen Routen in einem der großartigsten Gebirge der Welt haben.
Alessio Conz: Dolomiti new age, Edizioni Versante Sud, 2020, 270 S., 35,- Euro
Mont Blanc
Eine Fleißaufgabe zum besten Granit der Alpen haben die Autoren erledigt: Alle – zumindest alle lohnenden – Felsklettereien auf der Südseite des Mont Blanc stellt ihr Führer vor, mit Kartenausschnitten, Wandfotos und den technischen Daten (Schwierigkeit, Höhe, gelegentlich Ausrüstungstipps). Doch eine ernsthafte Aufgabe erwartet auch Aspiranten, die sich von den Wandfotos inspirieren lassen wollen: Denn außer der Routeneinzeichnung – selten mal mit Einzelbewertungen der Seillängen – gibt es keine Topos, ganz gelegentlich mal eine Verbalbeschreibung. So kann man entweder in Büchereien und Internet auf die Suche gehen, oder sich auf das Abenteuer der Wegfindung einlassen. Kompetente, informierte Texte helfen dabei ein wenig – oder laden einfach ein zum Träumen von rotem Granit …
Fabrizio Calebasso, Matteo Pasquetto: Mont Blanc, Edizioni Versante Sud, 2020, 448 S., 39,- Euro
Plaisir Süd 1
Sowohl der Begriff „Plaisirklettern“ wie das integrierte Präsentationskonzept mit optischer Darstellung von Zu- und Abstieg samt Detaileinblendungen und Topo machten den Schweizer Filidor Verlag unter Kletterern bekannt und beliebt. Und südliche Sonne mag eh (fast) jeder. „Plaisir Sud“ kombiniert diese Attribute – und wurde nun auf zwei Bände verteilt. Band 1 enthält sieben Gebiete im Val d’Ossola, 17 im Tessin, acht um Lecco am Comer See und 14 zwischen Chiavenna und Bergell; talnahe Klettergärten und alpine Sportklettereien.
Plaisir sud, Band 1, Edition Filidor, 2020, 264 S., 32,- Euro
Plaisir Süd 2
Band 2 von „Plaisir Sud“ widmet sich dem Aostatal, Val di Susa und Brianconnais. Das beginnt mit den Granitklettereien an der Dalmazzihütte im Montblanc-Gebiet, streift den genialen Pilastro Lomasti, die beliebte Rocca Sbarua bei Pinerolo und pflückt dann Perlen im weitläufigen Brianconnais: Granitplatten und -risse bei Ailefroide, steilen Kalk von Fournel und Ponteil, die irre Nadel der Aiguille du Dibona. Die Infos sind sehr komprimiert, aber irgendwie ist man noch immer zurecht gekommen. Mit dieser fetten Auswahl an Mehrseillängenrouten und Klettergärten darf man jedenfalls Nordstaulagen gelassen entgegen sehen.
Plaisir sud, Band 2, Edition Filidor, 2020, 216 S., 28,- Euro
Glarnerland
Wenn der Schweizer Alpen-Club einen Führer herausgibt, beginnt der natürlich mit Infos zur Natur und ihrem Schutz. Dann aber kommt’s Hardcore: Auf über 300 Seiten haben die Autoren alles zusammengetragen, was zwischen Klausenpass und Glarus das Kletterherz erfreut: Hochgebirgskalk an den stotzigen Jegerstöcken, Quarzporphyrblöcke am Chärpf, wilde alpine Exploits wie die Vorab Westwand oder altbeliebte Genussrouten an den Karstplatten des Brüggler. Die Glarner Alpen waren schon jeher ein Revier für Kenner – wer nicht auf klingende Namen fixiert ist, findet in diesem Buch reichlich Inspiration; und sollte mit den ordentlich aufbereiteten Infos auch seine Wege finden. Abenteuer im Geburtsland des Plaisirkletterns.
Samuel Leuzinger, Thomas Wälti: Kletterführer Glarnerland, SAC Verlag, 2019, 348 S., 59,- SFr
Palästina
Palästina? Muss man denn fürs Klettern unbedingt fliegen, in Zeiten des Klimawandels? Und noch dazu in eine politisch nicht gerade Vertrauen erweckende Region? Vielleicht gerade, um in der Begegnung mit Einheimischen Vorurteile zu überwinden und die verbindende Begeisterung fürs senkrechte Spiel zu erleben. Die Autoren gehen natürlich auf die besondere Situation in der „West Bank“ ein. Dann stellen sie neun Gebiete vor, in denen sie zusammen mit einheimischen Kletterern Routen erschlossen haben: teils trad, teils mit Bohrhaken gesichert, teils nur 10-15 Meter hoch, teils 20-30. Die Foto-Topos geben einen guten Eindruck – und einer freundlichen Aufnahme durch die lokale Felscommunity darf sich sicher sein, wer im Klettern auch ein Mittel zur Völkerverständigung sieht.
Tim Bruns, Ben Korff, Albert Moser: Climbing Palestine, Selbstverlag, 2019, 160 S., 18,- Euro