Frank Wippermann: Bergführer Hamburg
Führer Wandern/Bergsteigen
06.07.2021, 13:38 Uhr
Bergstadt Hamburg? Was ein gestandener Berchtesgadener als Anmaßung empfinden mag, belegt der Autor auf unterhaltsame Weise – und liefert seinen Nordlicht-Kolleg*innen jede Menge Tourentipps an der Waterkant.
Es gibt Berge in Hamburg! Mit diesem selbstbewussten Satz beginnt dieser spezielle Wanderführer – und zitiert das Motto der örtlichen DAV-Sektion: "Wir bringen die Berge nach Hamburg". Was gar nicht nötig sei, denn „Berg“ sei ein relativer Begriff, und Hamburg die „steilste deutsche Millionenstadt“ – nirgends ist die gedachte Verbindungslinie vom niedrigsten zum höchsten Punkt so steil.
Nach den üblichen Führerkapiteln zur Geologie und Ausrüstung, Führergebrauch und Naturschutz – durchaus schon mit einer gewissen Selbstironie verfasst – wird es ernst: 80 Tourentipps, die zu 89 Gipfeln führen, sind ausführlich dargestellt. Am Rand des Elbtals finden sich tatsächlich nennenswerte Erhebungen, teilweise aber auch künstlich gebaute Berge, aus Müll oder gar Sand. Spezielle Highlights sind etwa die Überschreitung zweier Rutschen-Brocken auf einem Spielplatz, Bouldern an einem Findling, ein Treppenlabyrinth im Villenviertel oder eine Radrenn-Strecke, die steiler ist als die berüchtigte Auffahrt nach Alpe d’Huez. An der Reeperbahn diagnostiziert der Autor ernsthafte Absturzgefahr, er verzeichnet aber auch den DAV-Kletterturm als echtes alpinistisches Ziel.
Die kürzeste Tour führt zum Hügelgrab Taterberg, mit ganzen zwei Höhenmetern, 100 Metern Strecke und fünf Minuten Gehzeit; die längste Tour dauert auch gerade mal etwa zwei Stunden. Deshalb ist es gut, dass Kombinationsmöglichkeiten angegeben sind, bis hin zur ultimativen Challenge: den „Seven Elb Summits“. Die jeweils höchsten Punkte der sieben Hamburger Verwaltungsbezirke lassen sich „by fair means“, also nur mit Öffis, als Tagestour in 16 Stunden erstürmen (die Hälfte davon Gehzeit) – ein tatsächlich strammes Programm, für das ein ausgetüftelter Zeitplan inklusive ÖV-Verbindungen angeboten wird. Den Abschluss des Buchs bilden ein Gipfel-Gesamtverzeichnis, sortiert nach Höhe, und eine alphabetische Touren-Übersicht mit Eintragungsmöglichkeit für „Bezwingungs“-Datum, Begleitung, Wetter und Stimmung.
Hamburg, son amour
Man darf schmunzeln, aber nicht lachen über die pfiffigen Ideen und die solide Arbeit; wenn jeder Wanderführer so zuverlässig und informativ gemacht wäre, wär’s schön. Zwar ist es einfacher, auf einer Doppelseite eine Tour mit einem Kilometer Strecke und 20 Metern Höhenunterschied zu beschreiben als eine echte Bergtour – dafür ist die Orientierung im Großstadtdschungel bekanntermaßen schwieriger als in übersichtlichem, freiem alpinem Gelände. Beim Realisieren der sportlichen Ziele helfen Tourendaten, ein Höhenprofil, eine Stadtplan-Karte und Fotos, auf denen man den zu besteigenden Berg oft nur mit viel gutem Willen ausmachen kann. Im Zweifelsfall dürften die freundlichen Eingeborenen bei der Berg-Findung helfen. Durch seine Tourenauswahl und viele Hintergrundinfos zeigt der Autor Seiten von Hamburg, die man nicht kennt oder erwartet, und belegen eine Verbundenheit mit seiner Stadt, die man durchaus als Liebe empfinden kann. Was wieder zum DAV passt, der ja in seinem Leitbild verkündet: „Wir lieben die Berge!“.
Kurzcheck
Info
Besonders geeignet für … Nordlichter und solche, die’s gern werden wollen.
Frank Wippermann: Bergführer Hamburg, Junius Verlag, 2021, 224 S., 16,80 Euro
ISBN: 978-3-96060-537-9