Wandern ohne Ende
Führer Wandern/Bergsteigen
08.07.2021, 19:03 Uhr
Losgehen – und einfach weitergehen. So weit die Füße tragen, vielleicht bis über die Alpen, bis ans Meer. Zumindest für ein paar Tage auf der Höhe. Weitwandern kann viel bedeuten – diese Führer zeigen die Vielfalt dieser Leidenschaft und geben ihr alpine Ziele.
Ziele für Kenner*innen
Lang und länger
Das Format dieses Buchs, das über das der üblichen Führer deutlich hinausgeht, zeigt seine Berechtigung beim Blick in die Titelklappe: Auf der Alpenkarte sind ein- bis zweiwöchige Wanderungen eher kleine Wischer, es herrschen die großen Linien von 300 bis 660 Kilometer Länge: Maximiliansweg, München-Venedig, Salzburg-Triest, der Große Walserweg. „14 großartige Wege“ verspricht der Untertitel, verschiedene Autoren beschreiben ihre Erlebnisse. Dass das nicht mit der Detailgenauigkeit eines Führers geschehen kann, ist klar: Es sind eher Reportagen, die in Text und Bild dem Charakter der Landschaften nachspüren und den Reiz des Trekkings miterleben lassen, das schließlich nicht nur in Nepal möglich ist. Grobe Übersichtskarten, Etappen-Tabellen und Kerninfos geben Hinweise für näher Interessierte – und Routen und Karten gibt’s zum Download. Ein Band zum Träumen.
Andrea Strauß (Hrsg.): Alpentreks, Bruckmann Verlag, 2019, 288 S., 29,99 Euro
Tiroler Wochenendfreuden
Ein (verlängertes) Wochenende Zeit, der Wetterbericht gut – wohin? Für diese Frage liefert der Führer mit der Antwort „nach Tirol“ 30 Vorschläge zwischen Paznaun und Fieberbrunn. Die Routen haben meistens etwas gehobenen alpinen Anspruch, bis auf eine Ausnahme sind alle „rot“ oder „schwarz“ nach AV-Wegeklassifizierung und bieten meist zwei- bis dreitausend Höhenmeter an zwei oder drei Tagen. Es gibt etliche Dreitausender, oft auch ohne Gletscherausrüstung erreichbar, aber auch herbsttaugliche Wanderungen in mittlerer Lage. Wo es keine Rundtouren sind, versprechen meist im gleichen Tal gelegene Endpunkte einfachen Rücktransfer per ÖV, Trampen oder deponiertem Rad.
Mark Zahel: Wochenendtouren Tirol, Bergverlag Rother, 2020, 232 S., 18,90 Euro
Zwischen Ortler und Zinnen
Ob man ohne schlechtes Gewissen für ein (verlängertes) Wochenende über den Alpenhauptkamm fahren darf, darüber kann man streiten. Außer Zweifel steht, dass die Ziele dort lohnen; die 30 jeweils zwei- bis dreitägigen, meist mittelschweren bis schwierigen Rundtouren, die der Autor vorschlägt, erfassen die ganze Vielfalt des Urlaubs-Traumlands zwischen Ortler und Drei Zinnen. Die Beschreibungen sind sorgfältig, mit der T-Skala für eine differenzierte Schwierigkeitsangabe, mit Karte und Höhenprofil, viele Fotos machen Lust auf mehr. Schließlich kann man ja auch für einen längeren Urlaub kommen und mehrere der Runden kombinieren, dann stimmt auch die Klimabilanz.
Mark Zahel: Wochenendtouren Südtirol, Bergverlag Rother, 2017, 224 S., 16,90 Euro
Über die Alpen
Wie alles begann
München-Venedig ist vielleicht die Urmutter aller touristischen Alpenüberquerungen, 1974 von Ludwig Graßler erfunden und populär gemacht. Die 28 Etappen mit 550 Kilometern und 22.000 Höhenmetern sind ein Brocken, den man natürlich dank diverser Täler-Berührungen auch auf mehrere Urlaube verteilen kann. Auf 288 Seiten liefert der Führer geballte Information, dazu hier und da Vorschläge für Varianten oder Ergänzungen.
Christian K. Rupp: München-Venedig, Conrad Stein Verlag, 2019, 288 S., 16,90 Euro
Aus den Bergen zum Meer
Vom Großglockner nach Triest, 750 Kilometer in 35 Etappen: Zu diesem Projekt fanden sich Tourismusverantwortliche aus Österreich, Slowenien und Italien 2012 zusammen und entwickelten den Alpe-Adria-Trail. Vielleicht keine echte Alpenüberquerung – man startet ja an der Südseite des Hauptkamms –, aber eine echte Aufgabe, auch wenn die Etappen bewusst ohne große Schwierigkeiten konzipiert wurden. Wem das Ganze zu viel ist, dem offeriert der Autor noch einen Drei-Länder-Rundweg zwischen Villach, Tarvisio und Kranjska Gora, ein Schnuppererlebnis in Karawanken und Julischen Alpen.
Roland Schmellenkamp: Alpe-Adria-Trail, Conrad-Stein-Verlag, 2020, 224 S., 16,90 Euro
Zweimal Transalp light
Die Alpenüberquerung vom Tegernsee nach Sterzing wurde 2014 „erfunden“ mit den Kriterien: keine schweren Etappen, maximal 1000 Höhenmeter pro Tag, komfortable Übernachtung in Talorten; einige Anbieter offerieren sogar Gepäcktransport. Schöne Landschaften durchwandert man allemal, und das Gefühl, von der rauen Alpennord- auf die tendenziell sonnige Südseite zu kommen, lässt sich auch erleben. Der Führer aus dem Conrad-Stein-Verlag beschreibt auch die Stücke, die im Original per Bus oder Bahn zurückgelegt werden, als Wander-Optionen (man muss ja nicht…) und liefert Kulturtipps für Brixen, Bozen und Meran. Der Rother-Führer teilt die Originalroute in neun Etappen ein und beschreibt eine Variantenmöglichkeit in den Tuxer Alpen.
Ulrike Gaube: Tegernsee-Sterzing, Conrad-Stein-Verlag, 2. Auflage 2021, 128 S., 10,90 Euro
Thomas Striebig: Tegernsee-Sterzing, Bergverlag Rother, 2. Auflage 2021, 128 S., 14,90 Euro
Quer durch die Schweiz
Diese Alpenüberquerung dürfte weniger im Zentrum des Interesses liegen als ihre klassischen Konkurrenten – nun gut, der Gotthardpass ist eine Transitstrecke mit viel Verkehr, seit die wilde Schöllenenschlucht bei Andermatt im 13. Jahrhundert wegsamer gemacht wurde. Dennoch bietet sich viel Reizvolles auf den zehn mäßig schwierigen Etappen der Kernstrecke von Küssnacht (wo die Hohle Gasse hinführt…) bis Bellinzona im Tessin. Zur Abrundung bieten die Autoren zwei Startversionen: von Basel oder Schaffhausen nach Küssnacht; und für die italienischen Voralpen zwischen Bellinzona und Mailand haben sie auch zwei unterschiedliche Linien beschrieben: über Chiasso oder über Luino. So lässt sich die ganze Schweiz durchwandern und erleben, mit bequemen Übernachtungen in Dörfern oder Städten – Wandern soft, Kultur und Berg in guter Mischung.
Jürgen Wiegand, Heinrich Bauregger: Gotthardweg, Bergverlag Rother, 2018, 264 S., 14,90 Euro
Auf namhaften Pfaden
Meraner Höhenweg und mehr
Der Meraner Höhenweg verspricht südliches Ambiente, fröhliches Schlendern auf halber Höhe und Blick auf wilde Berglandschaften – eine „der beliebtesten mehrtägigen Rundstreckenwanderungen der Alpen“, schreibt der Autor. Er verweist allerdings auch auf viele Varianten und Ergänzungsmöglichkeiten, durch die man die Runde um die Texelgruppe alpinistisch aufpeppen kann. So ist auch der Führer organisiert: Zunächst werden die 15 Etappen mit ein paar Varianten und Gipfelmöglichkeiten präsentiert, dann verrät der Autor Abstiegsmöglichkeiten Richtung Meran und Tagesziele; für Ambitionierte hat er zudem ein gutes Dutzend ernsthaftere alpine Ziele um Lodnerhütte und Oberkaser Alm zusammengestellt.
Gerhard Hirtlreiter: Meraner Höhenweg, Bergverlag Rother, 2021, 168 S., 14,90 Euro
Im Namen des Friedens
Zwischen 1986 und 1996 wurde der „Sentiero della Pace“ (Friedensweg) hergerichtet und markiert: 700 Kilometer vom Stilfser Joch bis nach Sexten. Doch er „scheint in Vergessenheit zu geraten“; schreibt die Autorin, die sich von seiner Geschichte hat inspirieren lassen, die gesamte Strecke auf der Frontlinie des Ersten Weltkriegs zu begehen. Das sind 45 Etappen, die teilweise alpinistisch anspruchsvoll und lang sind – aber vor allem in den Vizentiner und Fleimstaler Alpen kann man es auch etwas gemütlicher haben. Die grausame Geschichte des Krieges, der man die heutigen Wandermöglichkeiten zum Teil verdankt, macht die Autorin fotografisch und in Infokästen lebendig.
Romy Robst: Sentiero della Pace, Bergverlag Rother, 2020, 240 S., 16,90 Euro
Im Herzen: Europa
Unter Beteiligung von Reinhold Messner wurde 2018 das Projekt „Dolomiten ohne Grenzen“ eröffnet. Mit EU-Interreg-Mitteln gefördert, entstand so „der wohl längste Via Ferrata Trail der Welt“: neun anspruchsvolle Tagesetappen von den Sextener Dolomiten in die Karnischen Alpen. Wo einst die Frontlinie eines irrsinnigen Gebirgskrieges verlief, kann man heute auf Höhenwegen, an Drahtseilen und durch Tunnels die Wege der Soldaten nachgehen und das Unesco-Welterbe Dolomiten erleben. Eine großformatige Kartenbeilage zeigt die Wegverläufe und Varianten und könnte sogar fürs Gelände reichen, der Führer gibt mit Panoramafotos und Klettersteigtopos weitere Eindrücke – und dazu die nötigen Beschreibungen und zusätzliche Hintergrund-Informationen. Ein spannendes Projekt, um die Dolomiten einmal anders kennenzulernen.
Daniel Rogger: Dolomiten ohne Grenzen, Versante Sud, 2020, 96 S., 19,50 Euro
Sardiniens wilde Wege
Selvaggio Blu, das wilde Blau, das klingt nach Romantik und Abenteuer. Tatsächlich sind die Pfade und Kraxelwege an Sardiniens Ostküste legendär für anspruchsvolles Gelände und Wegfindung; nicht umsonst rät sogar der gedruckte Führer dazu, sich Profiguides anzuvertrauen. Liefert aber so exakte und detailreiche Beschreibungen, dass man glatt in Versuchung kommen könnte, Macchiakampf, Kletterei und Abseilen über blauen Buchten selbständig anzugehen. Es gibt Gesamtübersichten für fünf verschiedene Routenführungen (4- bis 6-tägig) und jeweils Etappenbeschreibungen, immer mit passabler Karte, Höhenprofil, Wegdaten und ausführlicher Beschreibung; viel besser scheint man das nicht machen zu können.
Luigi Tassi: Supramonte of Baunèi and Selvaggio Blu, Versante Sud, 2020, 208 S., 25,- Euro
Jakob mit Kultur
Jakobs-Pilgerwege durchziehen ganz Europa und laden dazu ein, beim Gehen auch die Gedanken in Gang zu bringen. Auf den 22 Etappen von Rocroi an der belgischen Grenze zur Pilgerstadt Vézelay im Herzen Frankreichs lenken dabei keine Berge oder sonstigen Schwierigkeiten ab. Statt dessen durchstreift man eine kulturell und historisch bedeutsame Landschaft, mit Städten wie Reims und Troyes und den Weingebieten Champagne und Chablis. Entsprechende Hinweise reichern die Wanderbeschreibungen an und laden ein zum Entdecken nicht nur innerlichen Neulands.
Franz Felsner: Frankreich: Jakobsweg Via Campaniensis, Conrad-Stein-Verlag, 2021, 160 S., 12,90 Euro
Einfach weiter wandern
Sieben bayerische Alpengebiete
Die wichtigsten Regionen der Bayerischen Alpen repräsentativ kennenlernen kann man auf diesen sieben Mehrtagesrouten in jeweils vier Tagen bis einer Woche: Allgäu, Ammergau, Zugspitzregion, Karwendel (naja, sein deutscher Rand), Voralpen, Chiemgau und Steinernes Meer. Die Routen sind teilweise pfiffig zusammengestellt, oft mit Varianten-Optionen, und eher anspruchsvoll: rote und schwarze Wege dominieren (mit der T-Skala genauer differenziert), die Etappen sind manchmal durchaus tagesfüllend. Wer das ganze Programm absolviert hat, hat einen guten Überblick über die Vielfalt der großen Münchner Spielwiese.
Mark Zahel: Trekking in den Bayerischen Alpen, Bergverlag Rother, 2019, 264 S., 14,90 Euro
Durch fünf Regionen
Fünf Mehrtagestouren von Hütte zu Hütte mit insgesamt 44 Etappen präsentiert dieser Führer – aus den verschiedenen Alpengruppen von Vorarlberg: Bregenzerwald-Tour, Kleinwalsertaler Runde, Lechquellenrunde, Rätikon-Tour und „Montafoner Runde Plus“; die letzte bietet diverse Variationen. Das Gelände ist immer alpin, die Wegekategorie „rot“ ist die häufigste, teils wird’s auch schwieriger; zur genauen Einschätzung nutzt der Autor die Schweizer T-Skala. Neben den gewohnt detaillierten Informationen zu den Routen und Etappen sind zu Anfang alle besuchten Hütten porträtiert.
Mark Zahel: Trekking in Vorarlberg, Bergverlag Rother, 2020, 192 S., 16,90 Euro
Zwei Wege durch die Steiermark
Den Dachstein kennen noch die meisten deutschen Alpenfreunde – weiter östlich und vor allem südlich werden dann die Fragezeichen größer. Der Fernwanderweg „Vom Gletscher zum Wein“ durchstreift die vielfältige Steiermark auf einer Nord- und einer Südroute mit 35 und 25 Etappen; jeweils startend am Dachstein, und endend an der slowenischen Grenze. Die Autorinnen haben beide Strecken komplett begangen und beschreiben sie auf Rother-Niveau, mit Höhenprofil, guten Karten und detaillierten Infos. Zusammenstellungen von Etappen-Blöcken und -Highlights geben auch Tipps für Leute, die sich nur mal ein Teststückerl herauspicken möchten, ob Hochschwab, Niedere Tauern oder Weinbergwandern.
Silvia Sarcletti, Elisabeth Zienitzer: Vom Gletscher zum Wein, Bergverlag Rother, 2. Auflage 2020, 256 S., 14,90 Euro