Andreas Jäger: Die Alpen im Fieber
Sachbuch
11.01.2022, 15:36 Uhr
So klar und verständlich sind die wissenschaftlichen Fakten zum Klimawandel noch selten zusammengetragen und präsentiert worden. Eine erhellende Lektüre für alle, denen mit den Alpen auch der Schutz unserer Lebensgrundlagen am Herzen liegt.
Ein Buch mit einer Botschaft – und einer Leidenschaft. Drei Schritte weit will der Autor die Leserschaft führen: Die Spuren der Eiszeit in den Alpen verständlich machen – zeigen, welche Rolle das Klima für unser Überleben in dieser Region spielt – und damit klarmachen, wie wichtig es ist, eine weitere Überhitzung der Atmosphäre zu stoppen.
Zuerst widmet er sich kritischen Anmerkungen gegenüber den Fakten des Klimawandels, die er bei Vorträgen zu hören bekommt: Klimawandel gab’s schon immer; die Wärme schadet uns doch nicht; das bisschen CO2 kann doch nicht so viel bewirken. Auf wissenschaftlicher Grundlage erklärt er dann, warum diese vermeintlich überzeugenden Aussagen nicht stimmen – mit großem Hintergrundwissen, in klarer Sprache und erhellend visualisiert.
Im gleichen Stil führt er dann durch seine drei großen Blöcke. „Das Erbe der Eiszeit im Alpenraum“ schildert den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn über die Klimageschichte der Alpen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Gletscher, deren einstiges Vorrücken durch Findlinge und Moränen nachvollziehbar ist, die die Alpentäler geschliffen und geformt haben und fruchtbaren Löss im Vorland ablagerten. So entstand „Das Paradies im Alpenraum“: In der Warmphase des „Holozän“ herrschten oft ideale Bedingungen für Leben und Landwirtschaft – unterbrochen von kurzen Kaltzeiten, die an Völkerwanderung, Hungersnöten und der Verschickung der „Schwabenkinder“ einen Anteil hatten. Doch mit der Industrialisierung entwickelte sich das „Holozän“: eine Welt, die durch die Gattung Homo Sapiens geprägt und gezeichnet ist. In „Die Welt in unseren Händen“ skizziert der Autor Zukunftsszenarien eines ungebremsten Klimawandels, die nach Horrorfilm klingen, aber leider auf realistischen Berechnungen beruhen. Er zeigt aber auch in knapper Form Möglichkeiten auf, wie wir die Emission des Haupt-Treibhausgases CO2 beenden und seinen Anteil in der Atmosphäre wieder in Richtung früherer Werte reduzieren könnten. Mit der Hoffnung „Wir können noch etwas tun“, die von der deutschen Klimaforschung geteilt wird, setzt er ein optimistisches Ziel ans Ende seines Buches – aber sagt auch klar, dass wir dafür ernst machen müssen mit der Transformation unserer Gesellschaft und unseres persönlichen Handelns.
Alles, was man wissen muss
Der Autor ist Meterologe und Geophysiker, als Wissenschaftsjournalist seit 1994 im Radio und Fernsehen aktiv. Er findet eine schön ausbalancierte Sprache, zwischen wissenschaftlicher Genauigkeit und verständlicher Aufbereitung. Häppchen für Häppchen serviert er die Fakten und leitet mit geschickten Fragen in die nächste Differenzierungsebene – methodisch gekonnt und vergnüglich zu lesen, auch wenn man das Hirn dabei nicht abschalten sollte. Illustrationen und Kästen vertiefen oder ergänzen erläuternd. Auch wenn das Lektorat die eine oder andere Kleinigkeit übersehen hat: Das schadet dem Buch nicht. Im Gegenteil: Wer sich über die wesentlichen Zusammenhänge und den aktuellen Stand der Wissenschaft schlau machen möchte, findet hier eine anregende und motivierende Aufbereitung.
Kurzcheck
Info
Besonders geeignet für … alle Freunde der Alpen, die Klimaschutz auch als Schutz der Alpen und unserer Lebensgrundlagen verstehen möchten.
Andreas Jäger: Die Alpen im Fieber, Bergwelten Verlag, 2021, 256 S., 32 Euro