Edition Hubatschek: Das alte Tux
Bildband
30.08.2021, 09:43 Uhr
Dass ein Bergbauernleben kein Geißenpeter-Idyll ist, sollte bekannt sein. Wie genau es ausgesehen hat, vor noch gar nicht allzulanger Zeit, das hat die Fotografin Erika Hubatschek dokumentiert.
„Das Leben, wie es früher war. Nicht lange ist’s her, aber so weit weg.“ So zitiert Irmtraud Hubatschek im Einleitungstext zu diesem Buch einen Kärntner Bauern. Seit 1939 fotografierte ihre Mutter Erika (1917-2010), promovierte Geografin, das Leben von Bergbauernfamilien in den österreichischen Alpen. 1942 kam sie erstmals, vom heutigen Bergsteigerdorf Schmirn über das Tuxerjoch, nach Hintertux – und dann immer wieder. Auch die Tochter (*1960), die heute das fotografische Vermächtnis hütet, war später oft dabei und schloss Freundschaften mit den Kindern im Tal; vielleicht ein Grund, in diesem großformatigen Bildband jenen Menschen ein Denkmal zu widmen.
„Möge dieses Buch nicht als nostalgisches Eintauchen in „die gute alte Zeit“ verstanden werden, sondern als flammendes Plädoyer für eine fortdauernde – oder auch neue – Wertschätzung von Arbeit und Leben der Tuxer und Tuxerinnen vergangener Zeiten!“ Unter diesem Motto porträtieren die Fotos die Orte im Tal: Hintertux, Juns, Lanersbach – und die Arbeit auf den Berghöfen. Etwa das Heumachen, damit das Vieh im Winter sein Essen hatte: Das Heu – mit der Schneide der Sense gemäht, nicht mit Kraft … – musste abends zu Häufen geschoben werden, damit es nicht vom Tau nass wurde, und morgens wieder zum Trocknen ausgebreitet. In „Heutristen“ fermentierte es und verlor an Gewicht, dann wurde es auf Holzschlitten gepackt und den Hang hinabgebremst; an Gegensteigungen nahmen die Männer den 100 Kilo schweren Heubock auf die Schultern. Oder die Flachsarbeit: Zuerst wurden die Flachsstengel über einem Feuer vorsichtig geröstet, dann trennten die Bäuerinnen auf der „Bregglbank“ Fasern und Holziges, schlugen mit der „Pritsche“ die letzten Holzteile aus und kämmten beim „Hacheln“ die kurzen „Werch“-Fasern aus, dann konnte der Flachs zu Leinen versponnen werden. Abends hatte man immerhin Zeit für einen „Huagachtn“, den Ratsch beim Nachbarn, bevor man ins kalte Bett kroch – und „wia a Regnwurm bische zommgschloffn“.
Zeitzeugnisse auf Augenhöhe
An diesen Bildern wirkt nichts inszeniert, optimiert, gestellt. Erika Hubatschek ist den Menschen auf Augenhöhe begegnet und hat als Zeitzeugin festgehalten, woraus ihr Leben bestand. Heute kann man nur mit Respekt auf deren Werk schauen, das die Alpen zu dem Natur-Kultur-Raum mitgestaltet hat, als den wir ihn heute noch kennen und zu bewahren versuchen – wenn auch die technischen Möglichkeiten anders sind. Und vielleicht kann man als Mensch in geradezu luxuriöser Zivilisation von dieser bescheidenen Sicht auf das Leben lernen: „Orbatn homma fescht miessn. … S Leben wor schiane. Du hosch jo nix ondacht gewisst.“
Kurzcheck
Info
Besonders geeignet für … Almliebhaber*innen, die bereit sind, Heile-Welt-Vorstellungen upzudaten.
Irmtraud und Erika Hubatschek: Das alte Tux as it was. Edition Hubatschek 2020, 280 S., 44,90 Euro
ISBN: 978-3-90899-36-3