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Lana Bragin und Stefan Spiegel: Das Alpenbuch

Bildband

09.12.2020, 09:17 Uhr

Alles, was man rund um die Alpen wissen muss. Und zwar nicht in seitenlangen Ausführungen samt theoretischem Unterbau, sondern mit über 1000 Illustrationen und kurzen, verständlichen Texten.

Gäbe es den Begriff Serendipität noch nicht, man müsste ihn für dieses Buch erfinden. Serendipität bedeutet, etwas zu finden, ohne danach gesucht zu haben. Und das passiert oft, wenn man das Alpenbuch von Marmota Maps durchblättert. Zu entdecken gibt es viel: Jede der knapp 300 Seiten ist gespickt mit Karten, Grafiken und Illustrationen zu sämtlichen Alpin-Themen. Es erinnert deshalb auch an eins dieser Wimmelbilder, über die sich Kinder stundenlang beugen können. Auf jeder Seite bleibt das Auge irgendwo hängen, schaut, liest, wandert weiter.

 

Trotz der niedrigschwelligen Aufmachung wirkt das Alpenbuch nie infantil. Ein Grund dafür sind die begleitenden Texte, die zusammen mit den Grafiken den großen Mehrwert bilden. Das Alpenbuch versucht, alle großen und kleineren Themen rund um die Alpen zu berücksichtigen. Das gelingt überraschend gut. Es würde dem Alpenbuch zwar nicht gerecht werden, aber man könnte es auch ein Lexikon nennen. Freilich kein Lexikon im herkömmlichen Sinne, eher eines, in dem man gerne vor- und zurückblättert, hier und da mal hängen bleibt.

 

Ein Buch über die Berge – aber nicht für die Berge

Das Alpenbuch behandelt dann natürlich die Themen, die in einem Werk über die Alpen nun mal zu erwarten sind: Geografie, Alpinismus, die Flora und Fauna der Berge. Dazwischen auch andere Themenblöcke wie Mystik, Legenden, Verkehr und Tourismus. Das Alpenbuch ist umfassend, ohne zu erschlagen. Es ist präzise und professionell, aber auch ohne großes Latinum lesbar. Einsteiger und Nicht-Alpinisten werden genauso gut unterhalten und informiert wie Berg-Expertinnen. Entstanden ist das Buch in Kooperation der alpinen Vereine AVS, ÖAV und DAV im Rahmen der Kampagne #unserealpen, die im Dezember 2020 zu Ende ging.

 

Es macht Spaß, die Grafiken und Illustrationen betrachten und sich in ihnen zu verlieren. Es ist auch eine Freude, das Buch in die Hand zu nehmen. Das Papier ist fest, mit dem Hardcover wirkt es auch von außen wertig. Das Buch auf die nächste Bergtour mitzunehmen, ist keine gute Idee. Schließlich wiegt es über ein Kilogramm. Als Lektüre für zuhause hingegen eignet es sich hervorragend. Auch im Buchregal zwischen Berg-Bildbänden und Alpin-Kompendien macht es eine gute Figur. Und vielleicht stößt dort irgendwann ein Gast darauf, ohne je danach gesucht zu haben.

 

Kurzcheck

Verständlichkeit
Unterhaltungswert
Illustrationen
Fundiertheit
Spannung

Info

Besonders geeignet für … jene, die einen niedrigschwelligen Zugang auch zu gewichtigen Bergthemen suchen und für alle, die als Kind Wimmelbilder geliebt haben.

 

Lana Bragin und Stefan Spiegel: Das Alpenbuch, Marmota Maps, 2020, 284 S., 35 Euro

 

ISBN: 978-3-946719-31-1

Schöne Bilder

Bildbände

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Das Auge liest mit? Manchmal ist das Auge das wichtigste Genuss-Organ. Zumindest wenn es so viel feines Futter vorgesetzt bekommt wie bei diesen unterschiedlichen Büchern, die alle von der Optik leben. Bonusnutzen – Tourentipps, Information, Unterhaltung – muss ja deswegen nicht ausgeschlossen sein.

Kalender für 2022

Gutes für jeden Tag

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Wer Berge und Bergsport liebt, lässt sich gerne täglich daran erinnern. Zum Beispiel durch einen Kalender an der Wand; neben den Klassikern vom DAV gibt es da viele schöne Angebote.

Edition Hubatschek: Das alte Tux

Bildband

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Dass ein Bergbauernleben kein Geißenpeter-Idyll ist, sollte bekannt sein. Wie genau es ausgesehen hat, vor noch gar nicht allzulanger Zeit, das hat die Fotografin Erika Hubatschek dokumentiert. „Das Leben, wie es früher war. Nicht lange ist’s her, aber so weit weg.“ So zitiert Irmtraud Hubatschek im Einleitungstext zu diesem Buch einen Kärntner Bauern. Seit 1939 fotografierte ihre Mutter Erika (1917-2010), promovierte Geografin, das Leben von Bergbauernfamilien in den österreichischen Alpen. 1942 kam sie erstmals, vom heutigen Bergsteigerdorf Schmirn über das Tuxerjoch, nach Hintertux – und dann immer wieder. Auch die Tochter (*1960), die heute das fotografische Vermächtnis hütet, war später oft dabei und schloss Freundschaften mit den Kindern im Tal; vielleicht ein Grund, in diesem großformatigen Bildband jenen Menschen ein Denkmal zu widmen.   „Möge dieses Buch nicht als nostalgisches Eintauchen in „die gute alte Zeit“ verstanden werden, sondern als flammendes Plädoyer für eine fortdauernde – oder auch neue – Wertschätzung von Arbeit und Leben der Tuxer und Tuxerinnen vergangener Zeiten!“ Unter diesem Motto porträtieren die Fotos die Orte im Tal: Hintertux, Juns, Lanersbach – und die Arbeit auf den Berghöfen. Etwa das Heumachen, damit das Vieh im Winter sein Essen hatte: Das Heu – mit der Schneide der Sense gemäht, nicht mit Kraft … – musste abends zu Häufen geschoben werden, damit es nicht vom Tau nass wurde, und morgens wieder zum Trocknen ausgebreitet. In „Heutristen“ fermentierte es und verlor an Gewicht, dann wurde es auf Holzschlitten gepackt und den Hang hinabgebremst; an Gegensteigungen nahmen die Männer den 100 Kilo schweren Heubock auf die Schultern. Oder die Flachsarbeit: Zuerst wurden die Flachsstengel über einem Feuer vorsichtig geröstet, dann trennten die Bäuerinnen auf der „Bregglbank“ Fasern und Holziges, schlugen mit der „Pritsche“ die letzten Holzteile aus und kämmten beim „Hacheln“ die kurzen „Werch“-Fasern aus, dann konnte der Flachs zu Leinen versponnen werden. Abends hatte man immerhin Zeit für einen „Huagachtn“, den Ratsch beim Nachbarn, bevor man ins kalte Bett kroch – und „wia a Regnwurm bische zommgschloffn“. 

Sebastian Schels/Olaf Unverzart: Été

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Berge ohne Menschen, zum Ersten: Architektur und Landschaft in französischen Skistationen – und wie sie im Sommer aussehen. War es ein Virus? Jedenfalls sind die Wesen, die diese seltsamen Bauwerke in die Landschaft gestellt haben, verschwunden. Was sie zurückgelassen haben, gibt den Aliens, die auf der Erde gelandet sind, Rätsel auf: Was ist hier passiert? Welchen Zweck hat es? Vielleicht nähert man sich dem Bildband „Été“ der Fotokünstler Sebastian Schels und Olaf Unverzart am besten aus dieser Perspektive, gleichsam als Außerirdischer.   Die Aufnahmen, alle entstanden vor der Corona-Pandemie, zeigen Berglandschaften, die vom Wintervirus befallen sind. Mit ihren analogen Plattenkameras reisten die Fotografen im Sommer (frz. Été) durch den Westbogen der Alpen, wo in den 1960er- und 1970er-Jahren eine große Vision von „liberté” und égalité” verwirklicht wurde: Skisport für alle! Hierzulande als „Retortenskiorte” für ihre „Monstrosität” geschmäht, standen die gigantischen Bettenburgen (hier passt der Begriff) in Tignes, Les Menuires, Arc 2000 oder La Plagne für die vom Staat zentral gesteuerte Demokratisierung des Winterurlaubs. Schels und Unverzart zeigen sie im spannenden Wechsel von Totalen und Nahansichten: Architektur, die einmal modern war, entworfen in einer Zeit, als die Eroberung des Weltraums noch ein Traum und die Zukunft ein großes Versprechen war, was Dietrich Erben in seinem sehr lesenswerten Essay erzählt. Man sieht bizarre Gebäude aus Beton, mancherorts mit längst verwittertem Holz verschalt und gebaut für den einen Zweck, große Mengen an Menschen in kleinen (und, wer sie kennt, wirklich nicht luxuriösen) Appartments zu beherbergen. Man sieht Science-fiction von gestern, die ihr Verfallsdatum längst überschritten hat.   Wo der Mensch selbst auf den Bildern fehlt, ist er in seinen Werken umso präsenter. Homo Sapiens überformt die Natur mit seinen Ideen und Ansprüchen und schafft eine Kulturlandschaft, die anregt, über die ihr zugrunde liegende Kultur nachzudenken. Und über die Frage, was mit den bizarren Architekturparks einmal passiert, wenn der Winter in Zukunft einmal so ähnlich aussieht wie der Sommer. 

Matthias Heise/Christoph Schuck: Letzte Bergfahrt

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Berge ohne Menschen, zum Zweiten: Wenn Skigebiete zumachen, geht das Leben in den Alpen trotzdem weiter. Skifahren ist kein Volkssport mehr. Der knallharte Verdrängungswettbewerb schafft einige (fast immer große bis sehr große) Gewinner und viele (fast immer kleine) Verlierer. In letztere Kategorie fallen die sogenannten LSAP, Lost Ski Area Projects: Skigebiete, die den Betrieb eingestellt haben und die sich nun zwischen Abbau, Verfall und touristischen Alternativen neu (er-)finden müssen. Einige Dutzend solcher LSAP gibt es in der Schweiz, für das vorliegende Buch wurden vier ausgewählt; sie liegen in den Kantonen Wallis, Uri und Graubünden und wurden zwischen 2014 und 2018 eingehend untersucht. Hinter dieser „wissenschaftlichen Pionierstudie“ steht die Technische Universität Dortmund, was nur auf den ersten Blick seltsam erscheint. Auch im Ruhrgebiet ist eine Industrie zu Ende gegangen, und warum sollte der Strukturwandel vor den Berggebieten haltmachen?   Drei Hauptgründe nennen die Autoren für den Niedergang: den abnehmenden Stellenwert des alpinen Wintersports zugunsten anderer Freizeitaktivitäten, Probleme der Topografie und des Klimas sowie betriebswirtschaftliche Fehlkalkulationen auf der Basis unrealistischer Erwartungen. Etwas geht zu Ende, etwas anderes kommt. Aber was? Soll man auf kapitalextensive „sanfte” Aktivitäten wie Langlauf, Rodeln und Winterwandern setzen? Investoren von auswärts suchen? Selbst noch mehr Geld reinstecken? Der laufende Betrieb und die ständigen Modernisierungen verschlingen gewaltige Summen, die Ertragslage ist angesichts des Klimawandels und der gesellschaftlichen Veränderungen schon vor Corona mehr als unsicher gewesen.   Die „Letzte Bergfahrt” erklärt Zusammenhänge, Entwicklungen, Abhängigkeiten und Chancen, die sich auch auf andere Alpenländer übertragen lassen: wissenschaftlich-empirisch, in einer klaren Sprache, die sich Emotionalität nicht verbietet. Viele Menschen – Urlaubsgäste, Einheimische und auch die Autoren selbst – erinnern sich ja gern an ihre Schwünge auf den nun aufgelassenen Pisten. Die Fotos illustrieren die Studie kongenial: Sie sind sachlich, schön und frei von jener schicken „Lost Places”-Romantik, die sich in der zeitgenössischen Fine-Arts-Fotografie längst als eigenes Genre etabliert hat. 

Horvath, Grote, Weiss-Tuider: Expedition Arktis

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Über ein Jahr lang driftete das Schiff Polarstern durch die Arktis, um die Wirkung des Klimawandels auf das vermeintlich ewige Eis zu erforschen. Ein eindrucksvoller Bildband dokumentiert die „historisch größte Arktis-Forschungsreise“. Wir konnten nur sehen, was im Scheinwerferlicht des Schiffes lag oder im Lichtkegel unserer Stirnlampen“, sagt die Autorin und Fotografin Esther Horvath. Vier Monate lang begleitete sie das deutsche Forschungsschiff Polarstern auf seiner Reise im arktischen Eis. Eine wissenschaftliche Reise, die es in solcher Dimension im 21. Jahrhundert nicht gegeben hat. Ein Jahr lang ließen sich Forscherinnen und Forscher aus 20 Nationen, eingeschlossen in einer dicken Eisschicht, von der natürlichen Bewegung des Eises und der Strömung über den Nordpol driften, nahmen Proben und machten Tests, die helfen sollen, den globalen Klimawandel besser zu verstehen.   Abgeschieden von jeglicher Zivilisation begleitet die Fotografin Esther Horvath die MOSAiC-Expedition auf der Polarstern für den ersten von drei Forschungsabschnitten. Ohne Handy- oder Internetempfang und ohne die Möglichkeit schnell noch etwas besorgen zu können, kommt es bei einer solchen Reise auf durchdachte Vorbereitung und absolute Genauigkeit an. Eisige Kälte (sehr) weit unter dem Gefrierpunkt macht den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Expedition zu schaffen, die Fotografin kämpft für jedes einzelne Bild gegen die Temperaturen an, die die Akkus und sogar die Kamera selbst zeitweise lahmlegen. Aber nicht nur die technische Ausrüstung stößt an ihre Grenzen, auch die persönliche Ausrüstung, wie dicke Handschuhe und Schneeschutzbrille, verlangt eine Portion Kreativität, um scharfe Bilder zu bekommen.