Horvath, Grote, Weiss-Tuider: Expedition Arktis
Bildband
17.12.2020, 08:11 Uhr
Über ein Jahr lang driftete das Schiff Polarstern durch die Arktis, um die Wirkung des Klimawandels auf das vermeintlich ewige Eis zu erforschen. Ein eindrucksvoller Bildband dokumentiert die „historisch größte Arktis-Forschungsreise“.
Wir konnten nur sehen, was im Scheinwerferlicht des Schiffes lag oder im Lichtkegel unserer Stirnlampen“, sagt die Autorin und Fotografin Esther Horvath. Vier Monate lang begleitete sie das deutsche Forschungsschiff Polarstern auf seiner Reise im arktischen Eis. Eine wissenschaftliche Reise, die es in solcher Dimension im 21. Jahrhundert nicht gegeben hat. Ein Jahr lang ließen sich Forscherinnen und Forscher aus 20 Nationen, eingeschlossen in einer dicken Eisschicht, von der natürlichen Bewegung des Eises und der Strömung über den Nordpol driften, nahmen Proben und machten Tests, die helfen sollen, den globalen Klimawandel besser zu verstehen.
Abgeschieden von jeglicher Zivilisation begleitet die Fotografin Esther Horvath die MOSAiC-Expedition auf der Polarstern für den ersten von drei Forschungsabschnitten. Ohne Handy- oder Internetempfang und ohne die Möglichkeit schnell noch etwas besorgen zu können, kommt es bei einer solchen Reise auf durchdachte Vorbereitung und absolute Genauigkeit an. Eisige Kälte (sehr) weit unter dem Gefrierpunkt macht den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Expedition zu schaffen, die Fotografin kämpft für jedes einzelne Bild gegen die Temperaturen an, die die Akkus und sogar die Kamera selbst zeitweise lahmlegen. Aber nicht nur die technische Ausrüstung stößt an ihre Grenzen, auch die persönliche Ausrüstung, wie dicke Handschuhe und Schneeschutzbrille, verlangt eine Portion Kreativität, um scharfe Bilder zu bekommen.
Das Ferne so nah
In acht Blöcken zeigt Esther Horvath die Arbeit unter extremsten Bedingungen und das Leben auf der Polarstern. Feuertaufe (Vorbereitung für den Einsatz am Limit); Leinen los (der Beginn der Expedition im arktischen Eis); Die Drift (der Aufbau des Forschungscamps); Das Observatorium (wie die Ergebnisse aufgezeichnet werden); Alltag am Ende der Welt; Nachtschicht (Forschung während 24 Stunden Dunkelheit); Schichtwechsel; Eine andere Welt (Drift durch den arktischen Sommer). Zu jedem Kapitel reichern begleitende Texte in gut verständlicher, aber wissenschaftlicher Sprache die Eindrücke der Fotografien an mit Hintergrundinformationen zu den Untersuchungen, der Methodik dahinter und dem Leben auf kleinstem Raum bei permanenter Dunkelheit. Eindrucksvoll und emotional aufgeladen führt Horvath durch den ersten Abschnitt der dreiteiligen Expedition und vermittelt beinahe das Gefühl, selbst im wilden Schneesturm zu stehen und Ausschau nach Eisbären zu halten oder allein im warmen roten Salon die Stille der Arktis bei einem Buch zu genießen.
Ohne viel Tamtam wird ein menschenfeindlicher aber für uns alle überlebenswichtiger Ort gezeigt, der so gewaltig scheint und doch so zerbrechlich ist. Diskret, aber deutlich macht der Bildband klar, wie klein wir Menschen auf der Welt sind und wie groß die Schäden sind, die wir anrichten können. Durch Expeditionen wie die MOSAiC werden neue Erkenntnisse gewonnen und durch die Arbeit von Fotografen wie Esther Horvath können wir alle daran Teil haben.
Kurzcheck
Info
Besonders geeignet für … Winter- und Arktisbegeisterte, Expeditions-Interessierte
Esther Horvath, Sebastian Grote, Katharina Weiss-Tuider: Expedition Arktis, Prestel Verlag, 2020, 288 Seiten, 50 Euro