Sebastian Schels/Olaf Unverzart: Été
Bildband
23.02.2021, 16:39 Uhr
Berge ohne Menschen, zum Ersten: Architektur und Landschaft in französischen Skistationen – und wie sie im Sommer aussehen.
War es ein Virus? Jedenfalls sind die Wesen, die diese seltsamen Bauwerke in die Landschaft gestellt haben, verschwunden. Was sie zurückgelassen haben, gibt den Aliens, die auf der Erde gelandet sind, Rätsel auf: Was ist hier passiert? Welchen Zweck hat es? Vielleicht nähert man sich dem Bildband „Été“ der Fotokünstler Sebastian Schels und Olaf Unverzart am besten aus dieser Perspektive, gleichsam als Außerirdischer.
Die Aufnahmen, alle entstanden vor der Corona-Pandemie, zeigen Berglandschaften, die vom Wintervirus befallen sind. Mit ihren analogen Plattenkameras reisten die Fotografen im Sommer (frz. Été) durch den Westbogen der Alpen, wo in den 1960er- und 1970er-Jahren eine große Vision von „liberté” und égalité” verwirklicht wurde: Skisport für alle! Hierzulande als „Retortenskiorte” für ihre „Monstrosität” geschmäht, standen die gigantischen Bettenburgen (hier passt der Begriff) in Tignes, Les Menuires, Arc 2000 oder La Plagne für die vom Staat zentral gesteuerte Demokratisierung des Winterurlaubs. Schels und Unverzart zeigen sie im spannenden Wechsel von Totalen und Nahansichten: Architektur, die einmal modern war, entworfen in einer Zeit, als die Eroberung des Weltraums noch ein Traum und die Zukunft ein großes Versprechen war, was Dietrich Erben in seinem sehr lesenswerten Essay erzählt. Man sieht bizarre Gebäude aus Beton, mancherorts mit längst verwittertem Holz verschalt und gebaut für den einen Zweck, große Mengen an Menschen in kleinen (und, wer sie kennt, wirklich nicht luxuriösen) Appartments zu beherbergen. Man sieht Science-fiction von gestern, die ihr Verfallsdatum längst überschritten hat.
Wo der Mensch selbst auf den Bildern fehlt, ist er in seinen Werken umso präsenter. Homo Sapiens überformt die Natur mit seinen Ideen und Ansprüchen und schafft eine Kulturlandschaft, die anregt, über die ihr zugrunde liegende Kultur nachzudenken. Und über die Frage, was mit den bizarren Architekturparks einmal passiert, wenn der Winter in Zukunft einmal so ähnlich aussieht wie der Sommer.
Kurzcheck
Info
Besonders geeignet für: ... alle, die sich gewissermaßen einen „leisen” Begleiter zum „lauten“ Ischgl-Buch von Lois Hechenblaikner wünschen. Und die sich fragen, ob die Architektur in gewachsenen Dörfern wie Ischgl, Sölden oder Mayrhofen wirklich weniger monströs ist.
Sebastian Schels/Olaf Unverzart: Été – Sommer, Verlag Kettler, 2020, 184 Seiten, 49 Euro
ISBN: 978-3-86206-832-6