Thomas Käsbohrer: Am Berg
Reisebericht/Lesebuch
05.07.2019, 10:39 Uhr
Bedrohliche Bergunfälle, dramatische Rettungsaktionen, nüchtern beschrieben. Diese Mini-Reportagen packen in ihrer scheinbaren Schlichtheit und könnten inspirieren zu einem bewussteren Umgang mit Unsicherheit am Berg.
Ein Mensch steckt drei Wintertage lang kopfüber in der Schneeüberdeckung eines Baches und überlebt trotz schwerer Unterkühlung. Zwei Bergwachtler sind ohne Seil am Gletscher unterwegs und verlieren einen Ski in der Spalte. Ein Höhlenforscher bekommt tausend Meter unter der Erdoberfläche einen Stein an den Kopf.
Es sind spektakuläre Unfälle, teilweise aber auch scheinbar unauffällige Szenarien, die dieses Buch versammelt. Wer es aus Lust am Mitgruseln oder gar in voyeuristischem Überlegenheitsgefühl liest, ist aber falsch beraten. Denn in jeder Unfallgeschichte steckt auch die Lehre, wie wenig es braucht vom entspannten Berggenuss zur (Beinahe-)Katastrophe, und wie leicht man selber in solch eine Situation kommen könnte.
Geschichten, die das (Über-)Leben schrieb
In sehr sachlicher, prägnanter Sprache, ohne dramaturgische Überhöhungen, zeichnet Thomas Käsbohrer die Abläufe von 27 Rettungseinsätzen nach. Er lässt teilweise die ehrenamtlichen Bergwachtler selbst zu Wort kommen, samt ihrer eigenen Lebensgeschichte, die sie dazu gebracht hat, Zeit und Gesundheit zu riskieren, um anderen Bergsteigern zu Hilfe zu kommen. Als Leser erlebt man mit, wie dieser Kampf um Rettung abläuft, freut sich mit bei erfolgreichem Abschluss, durchlebt auch das Erlebnis des Scheiterns: zu spät zu kommen oder nicht mehr helfen zu können.
Interviews mit bekannten Alpinexperten runden das Buch ab: mit dem Wetterguru Charly Gabl, dem Bergführer und Gutachter Peter Geyer, dem Soziologen Bernhard Streicher, dem Krisenbetreuer Andreas Müller-Cyran und anderen. Sie loten Hintergründe aus, welche externen oder auch inneren Faktoren zu Problemsituationenen am Berg führen können – allen voran den stetig zunehmenden Blockierungen durch Unkenntnis oder Selbstüberschätzung.
Das Buch bietet eine spannende Lektüre, nahe dran an den Menschen und ihren Emotionen, und lädt entschieden dazu ein, über das eigene Unterwegssein am Berg und die eigene Risikokultur nachzudenken. Und das beste daran: 25 Prozent vom Reinerlös spenden Autor und Verlag der Bergwacht
Kurzcheck
Info
Besonders geeignet für … alle Bergbesucher als Pflichtlektüre.
Thomas Käsbohrer: Am Berg. Bergretter über ihre dramatischsten Stunden, Millemari Verlag, 2019, 278 S., 24,95 Euro